23. Februar 2010 Ich bin in
der überaus beneidenswerten Situation, daß mir meine Arbeit über weite Strecken sehr
viel Freude und auch Spaß bereitet. Selbst wenn Emil Gruber, Besitzer und umtriebiger
Impresario einer "Wunderkammer", hier einen sehr ernsten Eindruck
machen mag.
Ernst waren wir nur in der Konzentration auf einige
Aufgabenstellungen. Was bei Kaffee und Torte würdig begann, führte zu aktuellen
Klarheiten über unseren "Avantourismus". Es sei daran erinnert, daß
wir kürzlich eine sehr still angelegte Weiterführung dieses Themas realisiert haben:
tracking | die stunde des
avantourismus (reloaded) [link]
Der Umbruch von "next code" zu "the track" ist grundlegender
Art. Eine wichtige Markierung innerhalb eines Werkes, dessen Arbeitszeit ich ursprünglich
auf ein Jahrzehnt angelegt hatte, von dem mir inzwischen scheint, zehn Jahre werden nicht
reichen. Dieses Ausloten eines Wechselspiels der Vorhaben an den kategoreal getrennten
Aufenthaltsorten "Realraum" und "Web" diffusiert ständig.
Bei all den Kaffees, den Torten, den vorzüglichen Weinen
und erlesenen Schnäsen bleiben wir einander in der "realen sozialen Begegnung"
verbunden. Ich würde heute, nach all den Jahren einschlägiger Erfahrung im Kulturberich,
sagen: eine conditio sine qua non! (Kein bißchen Zufall, daß auch im vorigen Eintrag davon die Rede war.)
Gehen Sie davon aus, daß Emil dieser Sache schon sehr
lange angehört. Gehen Sie davon aus, daß der Begriff Wunderkammer keineswegs zufällig
hier auftaucht und definitiv GEGEN die streng bezeichnende ordnende Weise gestellt ist,
die in Museen und Galerien als Standard gilt.
Hier waren wir mit einem Konvolut an Fotografien befaßt,
Autounfälle zeigend, penibel beschriftete Blätter, die einen Bogen zwischen zirka den
1920er und den 60er-Jahren zeichnen. Ich darf verraten, daß sich hier natürlich auch
eine Querverbindung zu unserem "Kuratorium
für triviale Mythen" auftut.
Unsere Sache nähert sich dem Titel "avantourismus
(ein postnationales reisebüro)". Ein erstes Motto ergab sich in unseren
Debatten: "Je näher neben, desto weiter weg." Es ist nicht
auszuschließen, daß darin ein buddhistischer Ansatz mitschwingt. Und da schimmern auch
Bezüge zum zentralen Kuratoriums-Thema durch: "Vom Mythos zum Fetisch zur
Kunst". (Auenwzinkern nicht zu vergessen!)
Zu den neuen Markierungen, welche "The Track"
langsam Sichtbarkeit geben, gehört auch mein kleines "Balkan Büro". Unser
Verhältnis zu den Balkanesen, Balkaniern, jenen Männern und Frauen, denen auch heute
noch so abenteuerliche Eigenschaften zugeschrieben werden, als WÄRE das ein "anderes
Europa", sind für mich schon lange unverzichtbare Gegenüber in den genannten
Prozessen und Projekten.
Wie wichtig solche Verbindungen sind, findet im Alltag
laufend Belege, oft geradezu skurrile Illustrationen. So hat mir dieser Tage ein wackerer
Deutscher, der sich derart hart links aufgestellt gibt, daß er offenbar längst rechts
angekommen ist, reichlich Anlaß zum Staunen gegeben.
Dieses Statement hat eine ziemlich kuriose, stellenweise
etwas gespenstische Korrespondenz nach sich gezogen, in der nicht klar werden konnte, auf
welche Quellen der Mann seine Aussage stützt oder was sonst Anlaß zu seinen schwülen
Deutungen sein könnte.
Ich habe noch mehr gestaunt, als eine deklariert
systemkritische und sozial engagierte Frau diese Debatte um folgende Botschaft
bereicherte: "also, ganz ehrlich gesagt, bevor ich für irgendeinen verhassten
ausbeuter um minimales geld schuften würde, würde ich auch lieber meinen körper
verkaufen."
Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sexarbeit weniger
anstrengend sei als schlecht bezahlte Teilzeitarbeit. Ich glaube auch nicht, daß
Sexarbeit wesentlich besser bezahlt wird, sobald man von einigen
"Hochpreis-Segmenten" absieht, die uns auf dem Boulevard mit der seltsamen
Berufsbezeichnung "Edelprostituierte" skizziert werden; wenn etwa von Berlusconi
die Rede ist etc. Na, die Sache will noch näher betrachtet sein. Jedenfalls kommt man als
"Netizen" im Web 2.0 oft aus dem Staunen nicht heraus.
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