31. Jänner 2010 Was mag
wohl passiert sein, daß ich mit dem Winter so versöhnt bin und der Schneefall mir Spaß
macht? Vielleicht habe ich es inzwischen weniger eilig.
Ich war gestern grade auf Probefahrt, weil ich zügig ein
anderes Auto an meine Nummerntafeln schrauben sollte. Probefahrt auf Sommerreifen. Als es
mich über Weiz mit dem Schneefall erwischte. Das sind Tage, in denen mir Geldausgaben
eigentlich Unruhe verursachen, weil das Finanzamt berechtigt ist, demnächst eine
Vorauszahlung auf den zu ERWARTENDEN Gewinn bei mir einzuholen.
Ich verstehe ja, daß der Staat Geld braucht und daher von
mir welches nimmt, das ich noch gar nicht verdient habe. Wenn, wie ich kürzlich notiert habe, Leute im Milliardärsrang
recht kurzfristig VIERZIG Prozent Profit machen und die Republik den folglichen Schaden
beheben muß, sollen wir eben nicht zaudern, unseren Beitrag zu leisten: "1,658
Milliarden Steuergeld mußten bisher für die Rettung der Klagenfurter Bank veranschlagt
werden." Das schrieb Michael Nikbakhsh im "profil".
Es geht übrigens nicht bloß darum, daß allerhand
Krawattenköpfe sich stets neu vornehmen, die Republik auszuplündern. Es geht leider auch
darum, daß staatliche Einrichtungen gelegentlich bei Fragen der Kontrolle in ganz
verblüffendem Ausmaß versagen. Nikbakhsh:
Das ist schon irgendwie ... bitter. Es sollte den Menschen
ja frei stehen, nicht gar so hell zu sein. Aber muß man sich in gut bezahlter Stellung
als Agent der Blödheit erweisen? Wenn ich bedenke, wie genau man bei Finanzamt und
Sozialversicherung über meine laufende Situation bescheid weiß, was sich in stets
adaptierten Zahlungsaufforderungen ausdrückt, bleibt schwer erklärlich, daß sich
Millionen und Milliarden in die unendlichen Weiten des Weltalls verschieben lassen und
niemand bemerkt was.
Um jenem Druck zu entkommen, der im Dasein an sozialen
Rändern fast alltäglich ist, habe ich vor Jahren mit zwei launigen Menschen aus dem
Reich der Literatur die Option "Der Künstler als Unternehmer"
debattiert und mindestens in eine erste Auftaktphase gebracht. Der Autor Walter Grond
(oben) und der Literaturwissenschafter Klaus Zeyringer (unten links, neben Dzevad
Karahasan.)
Ich hatte Grond Ende 1999 vorgeschlagen, im Web ein
Literaturprojekt anzugehen, Zeyringer war bald darauf dazu gekommen. Über die soziale
Marginalisierung von Kunstschaffenden braucht hier weiter nichts erzählt werden.
Es stellten sich aus dem Projekt [house] über das fremde und
die peripherie (ein salon) heraus auch bald Fragen, wie denn Arbeitszeit bezahlt
werden kann, wenn man nicht bloß in das vertraute System des Kunstbetriebes verstrickt
bleiben will. |
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Die Start-Markierung nennt den
1. September 2002 als Datum des Auftaktes. Es ist also bald ein Jahrzehnt her, daß wir
diese Geschichte gekickt haben. Auf all das stieß ich gerade wieder, weil ich für
unseren aktuellen Vorhaben begonnen hab, den Hintergrund der Geschehnisse etwas
auszuleuchten, aufzublättern.
So entsteht gerade diese kleine Übersicht,
denn mein "Dokuverse" im Web hat sich schon vor vielen Jahren so breit und dicht
gemacht, daß ich gar nicht mehr weiß, wann ich zuletzt halbwegs Überblick hatte. Hier
also diese Übersicht, die freilich speziell auf einen Teil des Bezirkes Weiz umgelegt
ist: [link] |
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Im Zuge des Suchens nach
manchen Details fand ich nun, sehr zu meiner Überraschung, im Web eine Dissertation, die
unter anderem dieses damalige Projekt behandelt, vor allem aber darüber hinaus reichlich
Denkanstöße bietet, was es mit Webpräsenz und künstlerischen Vorhaben im Web so auf
sich haben kann. An einer Stelle heißt es da (auf Seite 242):
Freilich hab ich damals, ganz Bohémien und
Herumtreiber, Heiko Idensen mit seinen Uni-Gastspielen und den Arbeiten mit Studierenden
als genau das empfunden, professorenhaft, was allerdings keine sehr taugliche
Einschätzung war. Egal. Ich hab später noch oft erlebt, daß die Arbeit und
Auseinandersetzung mit Leuten aus der Wissenschaft mir sehr wichtige Anregungen bringt.
Ich hab die Quelle noch gar nicht genannt.
Vormals Mag. Andrea Ghoneim, heute offenbar aufgrund dieser Arbeit Doktorin, schrieb: "Literarische
Publikationsformen im World Wide Web" (Veränderungen in Produktion, Publikation
und Vermittlung von Literatur). Die Dissertation ist im Web als PDF (ca. 6 MB) verfügbar:
[link]
Und ich finde es ebenso amüsant wie anregend,
daß hier eine Wisssenschafterin auf so manches, das wir behauptet haben, antwortet, was
ja seinerseits wieder Anlaß ist, aus der Reflexion heraus etwas weiterzuspielen ... Was
genau? Weiß ich noch nicht.
P.S.:
Ich arbeite jetzt noch mit dem selben HTML-Editor, den ich damals verwendet habe und mit
dem auch Grond einst am [house] gearbeiet hat: Front Page 3.0.2.926 (Copyright 1995-97).
Das ist ein wenig so wie mit einem sehr alten Auto fahren.
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