19. Jänner 2010 Ich bin
da, ich bin weg, ich bin da ... sagt der Winter. Dieses Foto hat schon wieder keine
Aktualität. Es ist ein wenig wie ein lautstarker Teil österreichischer Innenpolitik.
Bleibt abzuwarten, ob wir sagen können, die Kärntner Buberl-Partie erfrischt unsere
Vorstellungen von Demokratie; oder: Diese Burschen nehmen die Republik als Casino,
wechseln ihre Anzüge, wie es grade paßt und pokern drauf los.
Das kostet natürlich alles sehr viel Geld. Aber Demokratie
ist eben teuer. Manchen sogar lieb und teuer. Schauspieler Alfons Haider hat den
Begriff" "Feschismus" wieder in den öffentlichen Diskurs
gebracht. Nicht Fa, Fe! Feschisten, fesche Buben, Buberln, die der Demokratie
zeigen, wo der Hammer hängt.
Nein, die sind keine Faschisten, auch dazu fehlt
ihnen das Zeug. Viel zu hektisch, unberechenbar, ohne verläßliche, haltbare Formationen,
Seilschaften, kurz: Ein solariengebräunter Sauhaufen in teuren Klamotten. Das ist ja noch
die gute Nachricht. Gnade uns das Schicksal, wenn die effizient wären. (Aber schad' um's
viele Geld.)
Ich denke gerade an die ersten Tage des neuen Jahres
zurück. Ich war mit Freunden in den Wäldern der Fruska Gora. Die Exekutoren des
Milosevic hatten politische Gegner hierher verschleppt und ermordet. Das ist bloß einige
Jahre her, greifbar, auch emotional greifbar: Leute, die meine Kinder sein könnten, sind
dabei auf der Seite der Tyrannis aktiv gewesen.
Ich drücke mich über diese Dinge sehr distanziert aus.
Nicht weil ich die Berührung mit diesen Themen scheue, sondern weil das Ungeheuerlich
eigentlich so nahe ist. (Das hat etwas tief Irritierendes!) Wie ich vorhin schrieb:
Greifbar. Auch in uns. Da habe ich keinen Zweifel. Plüschig formuliert: Die Bestie, MEINE
Bestie, hockt zu meinen Füßen und hat keine Kette um den Hals.
Eben deshalb ist die Wachheit so wichtig. Und daß
wir Worte für das haben, was da geschieht, was da möglich ist. Jederzeit. Stets reißt
die Bestie jemanden aus unserer Mitte, auf so viele Arten; und was für ein Glück, wenn
ich sagen kann: Ich bin es ja nicht gewesen.
Aber das funktioniert nicht! Denn ich ahne längst: Auch
wenn ich es nicht gewesen bin, ich war dabei. Da ist wieder, wenigstens implizit, diese
Frage nach einem Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung.
Ich hab mich im gestrigen
Eintrag mit dem fadenscheinigen Herrn Dr. Ulrich Habsburg befaßt, der die Ironie
besitzt, sich als "roter Habsburger" zu rekommandieren. Was den
Habsburgern seit dem Ersten Weltkrieg in Österreich verboten ist ("Habsburgergesetz"),
stellt er als einen Fall von Sippenhaftung hin. Na freilich war das "Haus
Habsburg" in Begriffen der vergangenen Jahrhunderte eine Familiensache. Aber in
heutigen Begriffen war es ein weltweit agierender Konzern, für den sehr, sehr viel
geblutet wurde.
Ich hab gestern auch betont, daß Gavrilo Princip, der
Attentäter von Sarajevo, ein Österreicher gewesen sei. Unser staatliches
Legenden-Repertoire nennt ihn gerne den Serben Princip, wie ja auch angeblich
Serbien den Ersten Weltkrieg ausgelöst habe; so lese ich es heute noch in manchen
Leserbriefen.
Zur Erinnerung: Österreich hatte Bosnien-Hercegovina
längst davor okkupiert und sich das Land als Kondominium einverleibt. Freilich war
Princip ETHNISCH betrachtet ein Serbe, aber staatlich betrachtet eben
österreichischer Staatsbürger. Und zwar in einem Land (Bosnien!), das auch heute -- wie
lange davor --, mehrere Ethnien birgt. Ethnos, Demos, Staat ...
Es gibt andere interessante Beispiele für solche
Konstellationen, bevor das Haus Habsburg auseinanderbrach. So war etwa der epochale
Erfinder Nikola Tesla ethnisch betrachtet ein Serbe, sein Vater ein orthodoxer Priester.
Aber Tesla wuchs in Smiljan, im heutigen Kroatien auf, das
damals Teil der österreichischen "Militärgrenze" gewesen ist. Tesla war also
ursprünglich ... Österreicher; was er allerdings nicht blieb. Als er starb, war er
Amerikaner.
Ich komme zu einer simplen wie brisanten Frage: "Was
ist eine Nation?" Wenn darauf nur Vaterländische, Nationalisten und
Hosenscheißer antworten, wird die Demokratie noch weitere Schrammen abbekommen.
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