18. Jänner 2010

Wie kann einen denn Schneefall überraschen, wenn es Winter ist? (Außer man lebt in der Karibik.) So erging es mir jedenfalls. Und immer öfter freue ich mich über den Schnee, der mir früher in der Stadt vor allem lästig erschien.

log1529a.jpg (28352 Byte)

Stunden vor dem Schneefall war mir dieses Fenster aufgefallen. Sähen wir die Dinge im Zeitraffer, würde die Pflanze wohl wie ein Tierchen erscheinen, das in einen geschützten Teil kriecht. Ließe sich der Zeitraffer noch steigern, würden sogar Berge einen ziemlich beweglichen Eindruck machen.

Cut!

Ich hab gestern über einen Vorfall an Treuherzigkeit gestaunt, der läßt mich einigermaßen verblüfft sein, wie Menschen sich ihre Angelegenheiten zurechtrücken. In der "Kronen Zeitung" legte Dr. Ulrich Habsburg seine politischen Ansichten dar; unter anderem mit dem Bonmot, er sei als "roter Habsburger" verschrien. Geschenkt! Daß links von Dschingis Khan sehr viel Platz ist, halte ich für evident. Folgende Passage fand ich bemerkenswert:

log1529b.jpg (28360 Byte)

Na, so ist es doch. Schwere Verbrechen und Ausbeutung hat die Dynastie keineswegs zu knapp auf ihren Konten. Und sei es bloß, daß wir die "Urkatastrophe" des 20. Jahrhunderts in Betracht ziehen, den Ersten Weltkrieg.

Der wurde ja keineswegs, wie gerne schlampig dahinbehauptet wird, durch die Schüsse des Österreichers (!) Gavrilo Princip in Sarajevo ausgelöst. Ein lächerlicher Vorwand für die schon lange gehegten Präventivkriegswünsche des Conrad v. Hötzendorf, für die Expansionslust der Hohenzollern und eine ganze Reihe anderer Gründe, die den Eliten des Hauses Habsburg diesen Krieg plausibel machten. Sie ahben ihn gwollt mund gebraucht, um ihr zunehmendes Versagen an der damaligen Gegenwart zu verschleiern.

Nach heutigen Kriterien hätte dieses Ereignis genug Substanz, um uns über "Verbrechen an der Menschheit" reden zu lassen. Für die Habsburger lag ein Hauptgrund dieses Krieges garantiert in einer längst unüberschaubaren und offenbar unlösbaren Halde an Problemen, die sich dem Kaiser wenigstens seit 1848 aufgetürmt hatten.

Kurz gefaßt: Die Habsburger haben ihre globale Firma nach über einem halben Jahrtausend der Erfolgsgeschichten selbst versenkt. Dafür durften Millionen unserer und anderer Völker hungern, bluten und krepieren.

Es hat ja in der Menschheitsgeschichte eine einzelne Familie nicht gar so oft Gelegenheit, ein so ungeheures Versagen auf sich zu laden. Freilich sind unter den heutigen Habsburgern keine Schuldigen aus jenen Tagen zu finden. (Die liegen alle schon in Gräbern.) Aber wie wir es mit VERANTWORTUNG halten, die eine ganz ANDERE Kategorie ist als Sippenhaftung, von der Dr.Habsburg gerne spricht, bleibt dabei unterm Teppich.

Cut!

Im vorigen Eintrag gab es diese Notiz zu und Szene aus "Capote". Ich war verblüfft, wie sehr dieser Film in einer durchgängigen Stimmung an der Romanverfilmung "Kaltblütig" (Richard Brooks, 1967) entlang führt. Daß man es so machen kann, ohne den älteren Film zu paraphrasieren. Diese raffinierte Erzählweise. Ich staune.

log1529c.jpg (22578 Byte)

Auf dem Foto rechts Robert Blake als Perry Smith, einer der Mörder in Truman Capotes "Kaltblütig". Ich finde solche Motive in amerikanischen Erzählungen immer wieder. Es wurde oft in Filme thematisiert. "Badlands" (Terrence Malick, 1973), "Narural Born Killers" (Oliver Stone, 1994) etc.

Ich denke darüber nach, weil ich in letzter Zeit öfter über die Bedeutung des serbischen Wortes "inat" ins Grübeln gekommen bin. Das meint eine irrationale Mischung von Zorn, Sturheit, Widerspruchslust und Gewaltbereitschaft, eine Emotion, für die es kein deutsches Wort gibt.

Das paßt natürlich ganz vorteilhaft zu gängigen Balkan-Klischees, wonach vor allem die Leute aus Serbien so gedeutet werden, als hätten sie stets ein Messer zwischen den Zähnen. Was für ein Sterotypen-Unfug. Es scheinen sich doch viele, wenn vielleicht auch nicht alle Kulturen damit befassen zu müssen, daß es unter diesen oder jenen Umständen bei Menschen zu recht unkontrollierten Ausbrüchen kommt. (Bitte nicht zu vergessen, daß KRIEG stets auch eine Methode ist, solchen Ausbrüchen auf Massenbasis Legitimation zu verleihen.)

Es wäre vermutlich viel lohnender, sich mit den Möglichkeiten (conditio humana) und (Rahmen-) Bedingungen auseinanderzusetzen, die dazu führen, daß die "Normalität" Pause macht, statt sich in den Stereotypen zu verfangen.


[kontakt] [reset] [krusche]

3•10