18. Jänner 2010 Wie kann
einen denn Schneefall überraschen, wenn es Winter ist? (Außer man lebt in der Karibik.)
So erging es mir jedenfalls. Und immer öfter freue ich mich über den Schnee, der mir
früher in der Stadt vor allem lästig erschien.
Stunden vor dem Schneefall war mir
dieses Fenster aufgefallen. Sähen wir die Dinge im Zeitraffer, würde die Pflanze wohl
wie ein Tierchen erscheinen, das in einen geschützten Teil kriecht. Ließe sich der
Zeitraffer noch steigern, würden sogar Berge einen ziemlich beweglichen Eindruck machen.
Cut!
Ich hab gestern über einen Vorfall an
Treuherzigkeit gestaunt, der läßt mich einigermaßen verblüfft sein, wie Menschen sich
ihre Angelegenheiten zurechtrücken. In der "Kronen Zeitung" legte Dr. Ulrich Habsburg seine politischen
Ansichten dar; unter anderem mit dem Bonmot, er sei als "roter Habsburger" verschrien.
Geschenkt! Daß links von Dschingis Khan sehr viel Platz ist, halte ich für evident.
Folgende Passage fand ich bemerkenswert:
Na, so ist es doch. Schwere Verbrechen und
Ausbeutung hat die Dynastie keineswegs zu knapp auf ihren Konten. Und sei es bloß, daß
wir die "Urkatastrophe" des 20. Jahrhunderts in Betracht ziehen, den Ersten
Weltkrieg.
Der wurde ja keineswegs, wie gerne schlampig
dahinbehauptet wird, durch die Schüsse des Österreichers (!) Gavrilo Princip in Sarajevo
ausgelöst. Ein lächerlicher Vorwand für die schon lange gehegten
Präventivkriegswünsche des Conrad v. Hötzendorf, für die Expansionslust der
Hohenzollern und eine ganze Reihe anderer Gründe, die den Eliten des Hauses Habsburg
diesen Krieg plausibel machten. Sie ahben ihn gwollt mund gebraucht, um ihr zunehmendes
Versagen an der damaligen Gegenwart zu verschleiern.
Nach heutigen Kriterien hätte dieses Ereignis
genug Substanz, um uns über "Verbrechen an der Menschheit" reden zu
lassen. Für die Habsburger lag ein Hauptgrund dieses Krieges garantiert in einer längst
unüberschaubaren und offenbar unlösbaren Halde an Problemen, die sich dem Kaiser
wenigstens seit 1848 aufgetürmt hatten.
Kurz gefaßt: Die Habsburger haben ihre
globale Firma nach über einem halben Jahrtausend der Erfolgsgeschichten selbst versenkt.
Dafür durften Millionen unserer und anderer Völker hungern, bluten und krepieren.
Es hat ja in der Menschheitsgeschichte eine
einzelne Familie nicht gar so oft Gelegenheit, ein so ungeheures Versagen auf sich zu
laden. Freilich sind unter den heutigen Habsburgern keine Schuldigen aus jenen Tagen zu
finden. (Die liegen alle schon in Gräbern.) Aber wie wir es mit VERANTWORTUNG halten, die
eine ganz ANDERE Kategorie ist als Sippenhaftung, von der Dr.Habsburg gerne spricht,
bleibt dabei unterm Teppich.
Cut!
Im vorigen
Eintrag gab es diese Notiz zu und Szene aus "Capote". Ich war
verblüfft, wie sehr dieser Film in einer durchgängigen Stimmung an der Romanverfilmung
"Kaltblütig"
(Richard Brooks, 1967) entlang führt. Daß man es so machen kann, ohne den älteren Film
zu paraphrasieren. Diese raffinierte Erzählweise. Ich staune.
Auf dem Foto rechts Robert Blake als Perry
Smith, einer der Mörder in Truman Capotes "Kaltblütig". Ich
finde solche Motive in amerikanischen Erzählungen immer wieder. Es wurde oft in Filme
thematisiert. "Badlands"
(Terrence Malick, 1973), "Narural Born Killers" (Oliver Stone, 1994) etc.
Ich denke darüber nach, weil ich in letzter
Zeit öfter über die Bedeutung des serbischen Wortes "inat" ins
Grübeln gekommen bin. Das meint eine irrationale Mischung von Zorn, Sturheit,
Widerspruchslust und Gewaltbereitschaft, eine Emotion, für die es kein deutsches Wort
gibt.
Das paßt natürlich ganz vorteilhaft zu
gängigen Balkan-Klischees, wonach vor allem die Leute aus Serbien so gedeutet werden, als
hätten sie stets ein Messer zwischen den Zähnen. Was für ein Sterotypen-Unfug. Es
scheinen sich doch viele, wenn vielleicht auch nicht alle Kulturen damit befassen
zu müssen, daß es unter diesen oder jenen Umständen bei Menschen zu recht
unkontrollierten Ausbrüchen kommt. (Bitte nicht zu vergessen, daß KRIEG stets auch eine
Methode ist, solchen Ausbrüchen auf Massenbasis Legitimation zu verleihen.)
Es wäre vermutlich viel lohnender, sich mit
den Möglichkeiten (conditio humana) und (Rahmen-) Bedingungen
auseinanderzusetzen, die dazu führen, daß die "Normalität" Pause
macht, statt sich in den Stereotypen zu verfangen.
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