20. September 2009

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Es ist Zeit, an Tony Aicken zu denken. Ich denke, ich habe ihn nie nüchtern gesehen. In der Stadt der Bitterkeit. Belfast. Diese Stadt, in der ich ein Baugerüst entdeckt habe, das ebensogut eine Skulptur sein könnte. Das verblüffende Werk von Menschen, über die ich nichts weiß. Dieses Gerüst steht in einer Gasse, wo ich folgende Botschaft fand: "Every turn of the wheel is a revolution."

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Werbung für Fahrräder? Markierung einer Bar in der Donegall Street? Was kann der Reisende von Belfast wissen? Nichts! Aber! Tony Aicken. Es war wie Magie. Diese Stadt ist ja nicht gerade klein. Und wir hatten nichts vereinbart. Dennoch liefen wir uns mindestens fünf Mal an verschiedenen Stellen über den Weg.

Diese Begegnungen hatten einen Verlauf, als wären sie einer Partitur gefolgt. Und es gab ein Wort, das rückblickend wie ein Schlüsselwort erscheint. Kavanagh.

Wir sind hier im Steirischen nicht so sehr vertraut mit derlei Schlüsselworten, weil wir es meist vorziehen, mit uns selbst beschäftigt zu sein. Also: Kavanagh. Ein Wort, ein Klang, ein Horizont ganz wo anders.

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In diesem Porter House, wo man bei Selbstbedienung passabel essen und sich preiswert betrinken kann, abends Schränke von Securities an den Eingängen, stand ich an der Bar, um meine Bestellung aufzugeben. Ein Betrunkener fiel gegen mich. Da ich nicht sicher war, wohin das führen würde, versuchte ich ihn zu irritieren, indem ich fragte: "What did YOU have for breakfast?"

Er war offenbar sehr verblüfft. Das ist meine erste Begegnung mit Tony Aicken gewesen, mit dem Sohn des Zimmermanns.

Kavanagh. Ich habe dieses Wort hier, in diesem Logbuch, wohl schon erwähnt. Ein ganz wichtiger Grund dafür ist sein monumentale Gedicht "The Great Hunger". Ein anderer Grund sind zwei Zeilen von Kavanagh aus einem anderen Gedicht:

And I said let grief be a falling leaf
At the dawning of the day.

Ich weiß nicht, aus welchen Quellen solche Leute schöpfen. Ich weiß zugleich, daß ich in solchen Quellen schon geschwommen bin. Wie auch immer ... zum Wort Kavanagh siehe den Eintrag vom 28. September des Vorjahres: [link]

Wie das alles zusammenhängt? Es geht um Poesie. Vor vielen Jahren hatte mich der inzwischen verstorbene Autor Helmut Eisendle einmal mehr von einem meiner bescheidenen Rößchen gestoßen, indem er zu mir sagte: "Wenn dir ein Wirt für ein Gedicht ein Glas Wein hinstellt, dann ist es was."

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Ich hab ein paar Jahrzehnte gebraucht, um das einlösen zu können. Im Sommer 2008 saß ich mit dem Sir auf einer Bühne. Ich hatte gerade eines meiner Gedichte gelesen, er sollte einsetzen, doch er legte diese 1931er Gibson zur Seite und senkte den Kopf. Rund 500 Leute vor uns schwiegen und warteten. Nichts. Stille. Bis er wieder nach der Gibson griff. (Ich habe schon erwähnt, es geht um Poesie. Da hat man im Sir einen vorzüglichen Weggefährten.)

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Daran dachte ich in Belfast, als ich Tony Aicken gegenüber das Wort Kavanagh erwähnte und er sich abwandte, in seiner Tasche kramte, ein Buch hervorzog und es mir in die Hand drückte: "watching the river flow (a century of irish poetry)"

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