7. September 2009 Streemachine
made in Europe. Ich hatte zuerst nur ein Stück des Hecks entdeckt, einige Autos vor
mir, und mich bemüht, auf der zweispurigen Piste aufzuholen. Der Fahrer war so freundlich,
mir die kleine Verfolgungsjagd nicht übel zu nehmen.
Er hielt sein 1970er C-Coupé an einer Tankstelle, zeigte
mir den gepflegten Motor, ließ mich auf einem der komfortablen Sitze Platz nehmen ... Das
war damals Opels Gegenposition zu den Chevelles, Darts und anderen Fließheck-Granaten der
amerikanischen Muscle Car-Ära.
Was wenig bekannt ist, weil amerikanophile Benzinköpfe es
lieber unterm Teppich lassen: Die Enrwicklung der Muscle Cars, anfangs vor allem
kompakte Mittelgrößen, war eine Reaktion auf den Konkurrenzdruck kleiner europäischer
Import-Autos, die in den Staaten gut ankamen und den Absatz der Fullsizer
bedrängten.
Zum Abschied beschenkte mich der Fahrer noch mit einem "Semperit"-Beutel,
einem Werbeartikel der einst mit großem Getöse untergegangenen östereichischen
Reifen-Firma. Das sind schon sehr rührende Momente für einen haltlos dem Trivialen
verfallen Burschen wie mich.
Cut!
Das Kunstfeld und seine Kerl-Nummern. Gestern erfuhr ich
noch:
>>hier weißt du nicht, wie du deine eier
schützen sollst, dann schreibst auf deiner homepage was für ein toller hecht du bist und
dass alle anderen nur jammern. Das ist larmoyanter Autismus und ziemlich hinterlistig
auch.<<
Hm. Dieses Muster ist lang eingespielt. Wo Kunstschaffende
ihrerseits nicht "die Eier haben", sich ein Publikum zu erarbeiten,
werden sie sich ihr Publikum aus der werten Kolleginnenschaft rekrutieren. Seien es
Wohlmeinende, welche sie um sich scharen, seien es Uninteressierte, die sie attackieren.
Auf die Art etablieren sich Könige der bescheidenen
Reichweite auf überschaubaren Terrains, die Aufwertung der eigenen Position gelingt über
Selbestreferenz innerhalb des engeren Kreises und über das Echo vom nächsten Horizont
her, welches ja meist auch entsteht, wenn man jemanden anfeindet.
So als wäre der Kunstbetrieb vor allem ein Match, ein
Getümmel, eine mehr oder weniger gesittete Rauferei einiger Randgrößen im Kielwasser
der ebenso verehrten wie verhaßten "Stars", also der heimischen
"Betriebsgrößen"; an "Stars", Kunstschaffenden von internationaler
Strahlkraft, ist Österreich dann eh nicht gar so reich. Aber das Land ist wohlhabend
genug, um für allerhand Streitereien, für solches Gestrubbel und Geschwurbel Kraft zu
lassen. Auch nicht schlecht!
Cut!
Was uns so alles durcheinander gekommen ist! Begriffe,
Kategorien, Ansichten ... Ich lebe in einer Kleinstadt mit rund 5.000 Leuten. Das ist
angenehm überschaubar und heute nicht mehr von jener Enge, die hier einst empfunden
wurde.
Aber was und wie? Im Alltag geht allerhand Gerede darüber,
was und wer "die Bürger" seien. Was jene seien, die sich denen nicht
zuzählen, blieb mir bisher unklar. Wer die Proleten seien, höre ich bloß Teenager
erörtern. "Emos" grenzen sich gegen "Prolos" ab.
Doch auch dazu gehören Unschärfen; oder feinere
Differenzierungen. Sagte mir ein Youngster: "Ich bin kein Emo". Ich: "Du
siehst aber so aus." Er: "Naja, ich steh auf Emo-Style." Das
ist vielleicht eine sehr smarte Art des Selbstverständnisses. Ich bin da nicht sicher.
Doch mir fällt daran auf: Es mißfällt ihm, sich Zuschreibungen anzuhören, also haut er
mir auf die Eindeutigkeit. (Gefällt mir!)
In einem gewissermaßen "platonischen Dialog",
den Sozialwissenschafter Hans Christian Voigt puliziert hat, taucht das Stichwort auf:
>>könnte das verhältnis zum "ich" auch
so durchgespielt werden?
- von norbert elias gibts das buch: die gesellschaft der individuen...
bürgerlich: das autonome ich. der erfolgreiche mensch.
aristokratisch: der ästhetische mensch: den degen schön führen. die feurige rede. das
schöne bild von mir.
traditionell: das nicht ich. es gibt kein ich. bloss kosmos.
arbeiter: der neue mensch. (der der sich neu erfunden und maximal befreit hat. auch
befreit von herrschaft des falschen bewusstseins (marx).)<< [Quelle: rebell.tv]
Wäre recht romantisch mit dem "Cyrano de
Bergerac" von Rostand zu hinterlegen, um auf eine rustikale Deutung für mein
Terrain zu kommen. Ich darf das Thema gerade in einem regionalen Blatt abhandeln, was
einigen Spaß macht, denn es wird gelesen und ich werde auf der Straße drauf
angesprochen. So entstehen launiger Debatten darüber, was es mit "dem
Bürgerlichen" nun auf sich habe: [link]
Bei Voigt werde ich noch etwas genauer nachlesen und auch
nachfragen müssen. Ich finde da allerhand, was mich beschäftigt ... etwa auch:
>>bildung ist die reproduktion der gesellschaft in
ihrer ordnung?
- ja. genau. bildung ist ein apparat. eine maschine. bildung ist die antwort einer
gesellschaftlich auf das problem der kurzen lebensspanne des einzelnen menschen...<<
[Quelle: rebell.tv]
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