5. September 2009
An Architektur habe ich in Belfast nicht viel gesehen, was
mir gefallen hätte. Diese Passage wäre mir imposant vorgekommen, wenn nicht so ein
schriller Scherzartikel davor stünde. Es finden sich viele solcher Stellen in der Stadt,
die einen an lebhafte Geschäfte in der Vergangenheit denken lassen. Doch kein Schritt in
der Innenstadt, auf dem man nicht eine Tafel mit der Botschaft "TO LET"
vorfände.
Beim Pavillon erlebte ich eine spezielle Überraschung. Da
saß ein Falkner im Klettergeschirr. Ich hatte auf Anhieb keine Idee, welcher Job von den
beiden hier zu erledigen sei. Der Mann wies auf das Einkaufszentrum um's Eck, die riesige
Glaskuppel am Victoria Square. "Wir halten die Möven fern."
Eine sehr viel beeindruckendere Lösung als jene hoch
tönende Anlage, die am Grazer Hauptbahnhof die Tauben fernhalten soll und nebenbei
anscheinend kleinen Kindern die Ohren malträtiert.
Cut!
Während sich bei uns die "Vaterländischen"
stets mit der Auffassung hervor tun, dichte Grenzen seien unser Heil, die Arten- und
Sortenreinheit würde Kulturen stiften, entlarvt eigentlich jeder tiefere Blick in unsere
Kulturgeschichte, daß genau das Gegenteil wahr ist.
Wanderbewegungen sind das Kulturstiftende. Die Beispiele
sind zahllos, dieses aktuell vorgestellte (Quelle: "Der Standard") finde ich besonders interessant. Europas Kultur
hätte seine Blüten nicht gehabt ohne diese enorme Vielfalt der Ethnien und den üppigen
Austausch unter all den Völkern ... eben auch mit jenen ferneren ...
>>Anthropologen gehen davon aus, dass sich Ackerbau
und Viehzucht im Nahen Osten vor rund 11.000 Jahren durchsetzten, in Zentraleuropa dagegen
erst vor rund 7.500 Jahren. Zuvor dominierte in Europa die Lebensweise der Jäger und
Sammler.<< [Quelle: APA]
Cut!
Gerede. Gerede. Gerede. Ich staune vor mich hin, wie weit
die Tendenz zu Entertainment statt Information reicht. Aber vielleicht ist das nie anders
gewesen und wäre, quasi vor unseren Füßen liegend, nur prospektiv zu regeln.
Laufend lese ich auf diversen Leserbriefseiten von den
angeblichen Bedrohungen unseres Wohlergehens durch "Fremde". Das leuchtet mir
freilich nicht ein, wenn ich folgende Tatsache berücksichtige:
>>Teilt
man die österreichischen Haushalte, gereiht nach der Höhe des Bruttogeldvermögens, in
zehn große Gruppen (Dezile), so vereint sich auf das oberste Zehntel etwa 54% des
gesamten Geldvermögens in Österreich.<< [Quelle: "Sozialbericht 2007-2008"]
Wenn also zehn Leute zusammenstünden, auf dem Tisch
läge ein gutes Jahreseinkommen für alle, nun sagte einer in der Runde:
"Die Hälfte davon gehört mir, weil ich der Tüchtigste bin!" Die
restlichen neun Leute müssten mit der zweiten Hälfte auskommen. (Was ist daran schwer zu
verstehen?)
Es ist etwas mühsam, solche Dinge hier in der Region in
den öffentlichen Diskurs zu bekommen. Aber es ist zumindest nicht ganz aussichtslos. (Ein
aktuelles Beispiel.)
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