14. August 2009 Das Leben ist voller lustiger Momente, von denen manche sehr spaßig auf einen
Punkt kommen, der sich gelegentlich wie ein Vexierbild zeigt. Ich saß gestern mittags bei
meinem Türken, hatte mir die aktuelle Ausgabe des "FALTER" mitgenommen, denn das Aviso war mir sehr interessant
vorgekommen.
Ausgerechnet die Herolde des Wahren und Guten,
die vaterländischen Schreihälse, die kleinen Männer, welche dem kleinen Mann eine neue
Wahrhaftigkeit versprochen und angedient haben, tief verstrickt in eine Reihe von
bemerkenswerten Rechtsverletzungen? Der Versuch, die Justiz zu korrumpieren?
>>In den Akten finden sich Namen
prominenter Politiker, Polizisten und hoher Beamter. Die Akten zählen zu den
vertraulichsten Dokumenten der Republik. Sie stammen vor allem aus der Sektion vier, der
verschwiegenen Weisungsabteilung des Justizministeriums. Sie entscheidet, ob gegen
Mächtige Anklage erhoben wird.<<
Es wird wohl nicht bloß die Vaterländischen
betreffen, die da vorab genannt werde: Haider, Petzner, Dörfler ... Wir gehen spannenden
Zeiten entgegen. Jedenfalls saß ich da, denn das war jetzt noch nicht der Punkt. Und es
landet an der Theke bei Mehmed der Herr Fritz A., um seine Schachteln abzuholen. Es gibt
hier Pizza zum Mitnehmen. Mehmed wußte nicht, wen er nun bediente und schien durchaus
amüsiert, als ich es ihm erzählte. Der Chef der Gleisdorfer FPÖ repräsentiert ja
immerhin eine Partei, die sich alle Türken in die Türkei zurückwünscht und ihnen
überdies sehr häßliche Dinge unterstellt.
Dabei war mir der Vormittag noch in solcher
Leichtigkeit verlaufen. Das triviale Vergnügen inkludiert; wieder so ein feiner Fund im
Alltag. Späte 1970er-Jahre. Ein mächtig motorisierter, unverschämt eleganter Benz, wie
er sich damals im Rallye-Sport bewährt hat.
Aber der Tag blieb von ernsten Themen
bestimmt. Die "Krone" posaunt immer noch herum, es herrsche im Lande ein Polizeihaß
und eine Polizeihatz unter den üblichen Verdächtigen, den "Linken"
... was im Blatt allerdings unbelegt bleibt. Da sind
keine Zitate zu finden, keine Quellen genannt, ich erfahre nicht, wer genau das
sein soll, von dem solche Emotionen ausgingen und publiziert würden.
Wie üblich wird der Hauptteil dieser Behauptungsarbeit den
Leserbriefautoren überlassen, die sich keinem journalistischen Ethos verpflichtet fühlen
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Immerhin hat unlängst
"Krone"-Journalist Michael Jeannee diesem Ethos eine so grundlegende Absage
erteilt, daß es gründlicher kaum noch ginge. (Siehe den Eintrag von 8. August 2009!)
Nun erfahre ich aus der "Kleinen Zeitung", daß die
"Profi-Liga" für höchst problematisch hält, wie gerade mit der Polizei
verfahren wurde. Aber nicht im Sinne des "Krone"-Innenpolitik-Orakels Peter
Gnam, sondern im Sinne praktischer Berufserfahrung und üblicher Rechtspraxis.
Wir werden also auch in der Sache sehr gespannt
sein dürfen, wie die Republik uns vorhüpft, was in diesem Lande unter "ordentliches
Verfahren" verstanden wird. Erweisen sich die Unterlagen, welche man beim
"FALTER" erhalten hat, als gewichtig und stichhaltig, wäre bewiesen, daß man
in der Politik zunehmend weniger Hemmungen hat, auf die Justiz Einfluß zu nehmen.
Zur Erinnerung, das hat erst kürzlich unsere
Innenministerin Maria Fekter höchst unverfroren versucht. (Siehe den Eintrag vom 30.7.2009!) Schwarz und Blau zeigen uns
seit Jahren mit viel Raffinesse, was man da unter Demokratie und geordneten Verhältnissen
versteht.
Es ist vor allem dieses Ausmaß an Heuchelei, das mich in
unserem Land manchmal krank macht. Das hab ich auch in meinem Milieu, auf dem Kunstfeld,
solche Schätzchen, die sich weit über ihre realen Möglichkeiten hervortun und es
anderen anheften, falls es eng wird. Wenn ich dann in diese verkniffenen Fressen sehe, die
Unglücksaugen dieser vom Katholizismus der Gegenreformation mental geschulten Kriecher
... naja.
Im Gegenzug gefällt mir sehr, wie die südslawischen
Leute, die ich kenne, mit ihrem "Wahnsinn" umgehen. Mrdjan Bajic hat mich vor
Jahren auf dieses Motiv gebracht, als wir uns in Beograd [link] kennen gelernt
hatten. Er meinte, Milovan Djilas zitierend: "Ich verstehe unseren Wahnsinn. Aber
versteht Ihr Euren?"
Im Film "Underground"
(1995) von Emir Kusturica finde ich das in einer Sequenz unübertrefflich ausgedrückt. Da
stehen die drei Hauptfiguren der Geschichte (Marko, Natalija und Petar) beisammen und
singen ein Sauflied, in dem es heißt:
"Die Sonne scheint, ist es
Mitternacht? Der Mond scheint, ist es Mittag? Das Dunkel bricht durch den Himmel. Niemand
weiß, was wirklich scheint!"
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