27. Mai 2009 Heute geht es
nach Pöllau. Michaela Zingerle setzt einen Akzent auf grundsätzliche Fragen. Sagt etwa
jemand "Kunst", zeigt sich sofort: Wir haben keine gemeinsamen Begriffe.
Es gibt jenseits des Landeszentrums so gut wie kein Echo auch nur irgendwelcher Diskurse
über "Kunst". Folglich ist ALLES Kunst, also NICHTS, denn wir sind praktisch
kaum gerüstet, über Kunst zu reden. (Siehe dazu auch ein Eintrag vom 16. April 2009!)
Ich kann wesentliche Gründe dafür ganz ohne
hellseherische Fähigkeiten ausmachen. Es gibt regional keine verläßlichere
"Dignitätsmaschine" als das Kulturfeld. In jedem anderen Genre müßte
vergleichsweise härter und konsequenter gearbeitet werden, falls man lokal in Sachen
Sozialprestige ein paar Deka zulegen möchte.
Damit meine ich, neben dem "Wellness-Faktor", den
die ANWENDUNG künstlerischer Techniken in sich hat, schafft einen kaum etwas so
verläßlich ein- bis dreimal pro Jahr auf eine lokale Bühne und in lokales Rampenlicht
sowie in diverse lokale Magazine.
Dabei herrscht leider auch die irrige Annahme, daß schon
die Anwendung künstlerischer Techniken zum Entstehen von Kunstwerken führen würde. Dem
kann praktisch nicht widersprochen werden, wenn Kriterien und Begriffe fehlen. Folglich
ist ALLES Kunst, also NICHTS.
Halten zu Gnaden, da hab ich einige Einwände. Das kommt,
weil Künstler zu sein für mich nichts mit Berufung zu tun hat, sondern mein
Beruf ist. Es ist ein Beruf, der -- von allerhand Merkwürdigkeiten geprägt -- in einem
verblüffenden Kontrast von eben Prestige und sozialen Randlagen besteht. (Die soziale
Situation Kunstschaffender darf generell zwar als miserabel bezeichnet werden, aber ich
schätze, das teilen wir mit Legionen von Supermarktkassierinnen und anderen
Teilzeitkräften. So what?)
Die skurrile Diskurslage spiegelt sich regional auch in
kleinen privaten Motiven. Gestern kam nachts noch eine SMS von meinem Sohn: "Hab
khört, du magst die xy mutter ned? haha"
An dieser Mitteilung ist nicht bloß die Schreibweise
kurios, sondern auch, daß es innerhalb von fast 17 Jahren der zweite Vorfall ist, in dem
mein Sohn sich mit meinem Künstlerdasein befaßt. Der erste war eine Vernissage im Rahmen
des Festivals "steirischer herbst". Da hatte ihn seine Mutter hingeschleift,
damit er sich von meinem Tun einen Eindruck verschaffe. (Es dürften die langweiligsten 25
Minuten seines bisherigen Lebens gewesen sein.)
Während also etwa Landesbeamte, welche Veranstaltungen wie
die oben genannte begrüßen und unterstützen, von uns erwarten würden, daß
Kunstschaffende für kritische, auch irritierende Vorfälle in der Region gut wären,
verbleibt der regionale Diskurs auf der Ebene von Fragen, ob jemand gemocht wird oder
nicht. Eine radikalere ENTPOLITISIERUNG von gesellschaftlichen Bereichen kann ich mir kaum
vorstellen.
Wobei ich mit "Das Politische" hier jene Sphäre
meine, in der wir aufhören Untertanen zu sein, was dadurch erreicht werden kann, daß wir
am öffentlichen politischen und kulturellen Leben des Landes aktiv teilnehmen. Im Sinne
von "Raus aus der Hängematte!" statt "Es bellen die Rebellen".
Diskurs und Handlung statt Attitüde.
Apropos Pöllau! Dort hatte ich vor einigen Jahren
gemeinsam mit dem Maler Josef Schützenhöfer begonnen, meine "Verschwundene
Galerie" [link]
durch die Lande zu schaukeln. Das war ein sehr lustiges Unternehmen.
Und! Die gestrige Nacht hab ich mir noch einen Klassiker
gegönnt. Gene Hackman als Popeye Doyle in "The French Connection".
Regisseur William Friedkin läßt diesen Film mit einer Sequenz in Marseilles beginnen,
die man getrost herausschneiden und als eigenständiges Filmchen wirken lassen könnte.
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