27. Mai 2009

Heute geht es nach Pöllau. Michaela Zingerle setzt einen Akzent auf grundsätzliche Fragen. Sagt etwa jemand "Kunst", zeigt sich sofort: Wir haben keine gemeinsamen Begriffe. Es gibt jenseits des Landeszentrums so gut wie kein Echo auch nur irgendwelcher Diskurse über "Kunst". Folglich ist ALLES Kunst, also NICHTS, denn wir sind praktisch kaum gerüstet, über Kunst zu reden. (Siehe dazu auch ein Eintrag vom 16. April 2009!)

log1385c.jpg (9082 Byte)

Ich kann wesentliche Gründe dafür ganz ohne hellseherische Fähigkeiten ausmachen. Es gibt regional keine verläßlichere "Dignitätsmaschine" als das Kulturfeld. In jedem anderen Genre müßte vergleichsweise härter und konsequenter gearbeitet werden, falls man lokal in Sachen Sozialprestige ein paar Deka zulegen möchte.

Damit meine ich, neben dem "Wellness-Faktor", den die ANWENDUNG künstlerischer Techniken in sich hat, schafft einen kaum etwas so verläßlich ein- bis dreimal pro Jahr auf eine lokale Bühne und in lokales Rampenlicht sowie in diverse lokale Magazine.

Dabei herrscht leider auch die irrige Annahme, daß schon die Anwendung künstlerischer Techniken zum Entstehen von Kunstwerken führen würde. Dem kann praktisch nicht widersprochen werden, wenn Kriterien und Begriffe fehlen. Folglich ist ALLES Kunst, also NICHTS.

Halten zu Gnaden, da hab ich einige Einwände. Das kommt, weil Künstler zu sein für mich nichts mit Berufung zu tun hat, sondern mein Beruf ist. Es ist ein Beruf, der -- von allerhand Merkwürdigkeiten geprägt -- in einem verblüffenden Kontrast von eben Prestige und sozialen Randlagen besteht. (Die soziale Situation Kunstschaffender darf generell zwar als miserabel bezeichnet werden, aber ich schätze, das teilen wir mit Legionen von Supermarktkassierinnen und anderen Teilzeitkräften. So what?)

log1385d.jpg (22111 Byte)

Die skurrile Diskurslage spiegelt sich regional auch in kleinen privaten Motiven. Gestern kam nachts noch eine SMS von meinem Sohn: "Hab khört, du magst die xy mutter ned? haha"

An dieser Mitteilung ist nicht bloß die Schreibweise kurios, sondern auch, daß es innerhalb von fast 17 Jahren der zweite Vorfall ist, in dem mein Sohn sich mit meinem Künstlerdasein befaßt. Der erste war eine Vernissage im Rahmen des Festivals "steirischer herbst". Da hatte ihn seine Mutter hingeschleift, damit er sich von meinem Tun einen Eindruck verschaffe. (Es dürften die langweiligsten 25 Minuten seines bisherigen Lebens gewesen sein.)

Während also etwa Landesbeamte, welche Veranstaltungen wie die oben genannte begrüßen und unterstützen, von uns erwarten würden, daß Kunstschaffende für kritische, auch irritierende Vorfälle in der Region gut wären, verbleibt der regionale Diskurs auf der Ebene von Fragen, ob jemand gemocht wird oder nicht. Eine radikalere ENTPOLITISIERUNG von gesellschaftlichen Bereichen kann ich mir kaum vorstellen.

Wobei ich mit "Das Politische" hier jene Sphäre meine, in der wir aufhören Untertanen zu sein, was dadurch erreicht werden kann, daß wir am öffentlichen politischen und kulturellen Leben des Landes aktiv teilnehmen. Im Sinne von "Raus aus der Hängematte!" statt "Es bellen die Rebellen". Diskurs und Handlung statt Attitüde.

cover02.jpg (18298 Byte)

Apropos Pöllau! Dort hatte ich vor einigen Jahren gemeinsam mit dem Maler Josef Schützenhöfer begonnen, meine "Verschwundene Galerie" [link] durch die Lande zu schaukeln. Das war ein sehr lustiges Unternehmen.

log1385a.jpg (16812 Byte)

Und! Die gestrige Nacht hab ich mir noch einen Klassiker gegönnt. Gene Hackman als Popeye Doyle in "The French Connection". Regisseur William Friedkin läßt diesen Film mit einer Sequenz in Marseilles beginnen, die man getrost herausschneiden und als eigenständiges Filmchen wirken lassen könnte.

kup.gif (410 Byte)


[kontakt] [reset] [krusche]

22•09