26. April 2009

Kein alltäglicher Blickwinkel. Das ist die Nase einer ziemlich radikalen Maschine. Der mächtige Schnorchel in der Mitte beatmet ein Triebwerk, das gewissermaßen noble Distanz zur Vernunft ausdrückt, indem es demonstrativ Geld verbrennt. Roman Hold hatte das Teil noch auf keinem Prüfstand, kann also nicht genau sagen, wie viel hundert PS da kochen. Aber wenn er unvermittelt kräftig Gas gibt, ereignen sich furchterregende Momente und die Fuhre muß mit einiger Ärmelkraft auf der Straße gehalten werden.

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Es ist ein 1933er Plymouth Coupé, zum Hot Rod umgebaut, allerdings nicht komfortabel als "Hiboy" hingestellt, sondern "chanelled", also gewissermaßen "kanalisiert", was wirklich knifflig ist. Autobauer Hold geht manchmal etwas schwierige Wege. Ich weiß schon: Jargon. Wer soll wissen, was mit all dem gemeint ist?

So verhält es sich eben mit (sub-) kulturellen Nischen. Ich möchte beim gestrigen Eintrag anknüpfen, beim sagenhaften Ferrari "Daytona", zu dem mir jemand geflüstert hat, DAS sei Kunst. Was weiß man? Jargon! Es könnte natürlich jemand von selbst draufkommen, was ein "Five Windows-Coupé" ist, selbst wenn es -- wie hier -- gezählte sechs Fenster hat. Aber "Top Chop", "Frenching", "Channeling", ich darf annehmen, da plaudern dann nur mehr Insider mit mir.

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Die Hütte ist klein wie ein Vogelkäfig, wir zwei sind keine zart gebauten Burschen, der Plymouth ist "gechanneled", das bedeutet, es wurde ein "Kanal" in das Häusel gestrickt, so daß sich der gesamte Aufbau über den Leiterrahmen, also das Fahrgestell, maximal absenken läßt.

Würden wir einen Apfel überrollen, bekäme ich das am Hintern zu spüren. Hätte dieser Hot Rod auch noch einen "Top Chop", also ein abgesenktes Dach, wüßte ich beim besten Willen nicht, wie ich a) darin sitzen sollte und b) noch hinaussehen könnte. Ich war so schon wie in einer Badewanne abgelegt, weil die Sitzfläche fast bündig in den Boden der Kabine übergeht.

Aber wovon ist hier überhaupt die Rede? Na davon, daß bei Thema Kunst sehr viele Menschen denken, sie könnten ungeniert mitplaudern, selbst wenn ihnen alle Grundlagen dafür fehlen, womöglich auch egal sind. Es plaudern ferner auch jene ganz gerne mit, denen Kunst generell sehr unwichtig ist oder die sie als Teil ihres Lebens gar ablehnen. Lustig!

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Ich möchte damit andeuten, daß es jedes Fachgebiet verdient, ein wenig Neugier zu erwecken, wenn Menschen sich nicht darauf beschränken wollen zu atmen, zu essen und zu schlafen, was vom Auf- und Zuklappen der Augen begleitet wird.

Ich kann mich in all dem freilich auf Rezeption beschränken, also das Wahrnehmen, das sinnliche Erfahren, das Erleben dieser Dinge. Das mag genügen, daran gibt es nichts auszusetzen, und sollte man zu solchen Erlebnissen befragt werden, könnte man sagen "Gefällt mir!" oder "Gefällt mir nicht!" ...

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Mehr muß nicht sein, ist nicht notwendig, braucht sich niemand abverlangen. Wenn wir uns aber vergnügt über das Erfahrene und Erträumte unterhalten möchten, brauchen wir Begriffe und eine wenigstens annähernde Übreinkunft, was wir damit meinen. (Wie sollte Verständigung sonst gelingen?)

Ich unterhalte mich mit Roman Hold und seinen Leuten gerne über diese verrückten Maschinen, die sich in nobler Distanz zu Vernunft und Geld zeigen. Deshalb haben wir dafür Begriffe, wie wir sie für gewöhnliche Autos und Motorräder nicht brauchen würden.

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Oder ich Rede mit Menschen über Erfahrungen auf dem Kunstfeld. Wie etwa auf diesem Bild die Kunsthistorikerin Mirjana Selakov mit dem amerikanischen Künstler Jack Sal bei der Vernissage im "Museum im Rathaus".

Wir können uns darüber austauschen, aber auch gedankliches Neuland ansteuern, WEIL wir Begriffe haben und teilen, die uns das ermöglichen, die aber eben teilweise JARGON sind, also Sprachteile, Ausdrucksmittel, wie wir sie in anderen Lebensbereichen nicht finden, kennen, brauchen.

Was soll ich mit einem Schnösel anfangen, der sich auf einem Terrain weder auskennt, noch zu orientieren versucht, aber sich dem Feld energisch zurechnet und mir dort seine halbgaren Ansichten aufdrängt? Nichts. Es geht nicht. So wie ich selbst bei Roman Hold nicht den Schlaumeier spielen würde, weil er von Dingen weiß, über die ich noch nicht einmal nachgedacht hab.

Doch in den meisten Fällen bringt FRAGEN ganz erfrischende Eindrücke, egal ob man gerade in einer Galerie oder in einer kleinen Autowerkstatt steht.

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