25. April 2009

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Wegen dieser langen Haube bin ich gestern extra gerannt, obwohl kaum Zeit dafür blieb. Es war ein Tag, der gegen 5:00 Uhr begonnen und erst nach Mitternacht geendet hat. Aber da mußte ich zwischendurch natürlich hin. Ich kannte dieses Auto bisher nur aus Büchern und aus einem James Bond-Film. Der Toyota 2000 GT. Ein klassischer Gran Turismo. Zweite Hälfte der 1960er-Jahre. Völlig außerirdische Linienführung; viel kühner als die des Jaguar E Type, der in jener Liga das Maß der Dinge ist.

Wie sich in diesen Tagen des "kunst O.ST"-Festivals die Erzählungen überlappen. Wo mir Büroboten geistreiche Anmerkungen zur Kunst zurufen. So erneut, als ich über den offenen Motorraum einer anderen Legende gebeugt war. (Ebenfalls eine erste reale Begegnung für mich.)

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Der 365 GTB 4, so die amtliche Bezeichnung, aber allgemein: "Ferrari Daytona". Wenn man etwas von den Geschichten um dieses Auto weiß, läßt sich die bubenhafte Ergriffenheit vielleicht verstehen, die jemandem wie mir da in die Knochen fahren kann. ERZÄHLUNGEN. Das ist ein Kern der Sache.

Über den Motor dieses Wagens gebeugt ruft mit also jemand zu: "DAS ist Kunst!" Nein, erwidere ich, das ist HANDWERK, Kunst ist etwas anderes. Aber wenn heute nicht einmal Kunstschaffende debattieren, was Kunst sei, werden es auch Büroboten nicht tun.

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Ganz so ist es zum Glück eh nicht. Gestern gab es zwei weitere Stationen zum Kunstfestival "auf.draht". Dabei bin ich mit Künstler Hubert Brandstätter zu einer Übereinkunft gekommen. Er steht hier neben Keramikerin Christa Ecker-Eckhofen (links) und Kunsthistorikerin Mirjana Selakov.

Wir werden demnächst in Weiz einen ersten Akzent setzen, eine Debatte darüber eröffnen, was Kunst sei. Es geht dabei um Grundlagen und Grundfragen. Es geht auch um das, was Brandstätter "Das ästhetische Urteil" nennt. Es geht ferner darum, ernst zu nehmen, was uns schon der Philosoph Erwin Fiala in's Blickfeld gerückt hatte: Wenn wir selbst keine Diskussionen darüber führen, überlassen wir es der Wirtschaft und der Politik, um festzulegen was Kunst sei.

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Dabei können wir es freilich nicht bewenden lassen. Deshalb geben wir dem Diskurs seinen fixen Platz. Was die Kunst und was das Handwerk ist, was Zusammenhänge und was Bedingungen sind, all das will laufend neu erörtert, überprüft, verhandelt werden.

[auf.draht-doku]

Ob ich Ressentiments gegenüber "vorwissenschaftlichen" Wegen habe? Nein! Warum sollte ich? Der gestrige Eintrag negiert ja keinesfalls, daß es außerhalb der europäischen Gegenwart noch ganz andere Wege gab und gibt, um spirituelle Potenziale zu leben.

Wenn mir aber hierzulande von einheimischen "Schamanen" und anderen "Wissenden" etwas geflüstert wird, würde ich gerne wissen: Woher haben die das? Waren sie in fremden Ländern als Gast anderer Kulturen? Haben dort Native People den weißnäsigen Touristen ihr geheimes Wissen anvertraut?

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So wird's eher nicht gewesen sein! Ich denke gerade an die australische Karakuri-Künstlerin Kirsty Boyle, die vor einem Weilchen das Grazer Medienkunstlabor besucht hatte. Sie erzählte, daß sie sich seit vielen Jahren vor Ort mit der Kultur von Aborigines befaßt. Aber essenzielle Dinge würde sie dabei nicht erfahren, das sei ihr verschlossen. Damit rücken die Wissenden nicht heraus, bloß weil Zugereiste interessiert dreinschauen.

Doch unseren Reisenden werden die Eingeweihten aller Arten rund um die Welt ihre Geheimnisse anvertrauen, damit das Steirische um Wahrhaftigfkeiten bereichert werde? Na sicher! Das kann schließlich in wohlfeilen Kursen gebucht werden.

Bezüglich der Kelten etwa muß man natürlich an allerhand Bäumen horchen, denn die Artefakte, welche uns von der Archäologie bereit gehalten werden, erzählen nur wenig, was es mit diesen Leuten auf sich hatte. Und vieles, was wir heute davon zu kennen glauben, ist letztlich Kitsch und Klitterung aus jener präfaschistischen Ära unserer Leute, wo Hobbyhistoriker und amtliche Philologen, wo allerhand verhaltensoriginelle Leute nordische Geheimniskärmerei gesponnen haben.

Ein gutes Geschäftchen geht sich dabei aber allerweil aus. Sogar mit modisch "angesagtem" Kristallchen im Zentrum. Etwa:

>>Das Pentagramm aus dieser Kollektion feiert unsere Kelten- und Wikingerahnen und erinnert an ihre legendäre Liebe für Abenteuer, Dichtung und Kunst. Dieser einzigartige Anhänger spiegelt die Stile dieser Stämme des nördlichen Europa wieder. Dieser originelle Schmuck, gefertigt aus nickel- und bleifreiem Zinn, versilbert und wunderschön verziert mit einem großen Swarovski Kristall, ist ein wahrer Blickfang.<< [Quelle: esoterikshopping.de]

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Da haben wir sie ja, die "Stämme des nördlichen Europa". Da ist die Kontinuität des Raunens über Runen. ("Unsere" Kelten- und Wikingerahnen?) Aus diesen Quellen schöpfen private Liebhaber der heimischen Keltnerei natürlich nicht. Aus welchen aber dann? Das werden sie einem Banausen wie mir nicht verraten. Tja ... Wichtigtuerei und Ethno-Kitsch.

Unterm Strich will ich gerne glauben, daß es auch Quellen gibt, die in keinem rationalen Konzept zuordenbar sind. Ich darf mich in der Sache auf eigene Erfahrungen stützen. Aber das sind keine Angelegenheiten, die sich zur Selbstdarstellung und zu markanten Auftritten nahelegen. Das bedarf weder wallender Gewänder noch geheimnishauchender Schmuckstücke noch raunender Bedeutungsschinderei. Es IST und es wird gepflegt und es hat sein Gewicht. Mehr nicht.


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17•09