18. März 2009
Das ist eine sehr relevante Frage. Eine
polemische Assoziation darauf: Vielleicht führt diese Gesellschaft schon zu lange Krieg
gegen ihre Kinder. Damit meine ich nun gewiß nicht die gründe für jene nach rückwärts
gerichtete Debatte, welche Frauen an einen Herd wünscht, der sozialgeschichtlich bloß
eine Fußnote ist.
Wie viele Jahre wird nun schon aufwendig
darüber gelogen, was "die Familie" und "die traditionelle Familie"
sei. Populäre Blödsinne in der Sache lassen sich auf zweierlei Arten eigentlich leicht
widerlegen:
a) Reden Sie mit alten Menschen, die noch eine hauptsächlich agrarische und schließlich
industrialisierte Gesellschaft erlebt haben!
b) Lernen Sie Sozialgeschichte!
Da vergehen einem schnell die Flausen und
vieles an üblichem Geschwätz erweist sich als das, was es ist: Ideologie, wie sie in den
Familien-Realitäten das Landes kaum nachweisbar, belegbar ist. "Trautes Heim"
war im Grunde nie etwas anderes als der Ausdruck sehr konkret beschreibbarer
Machtverhältnisse. Daß es dagegen auch partnerschaftlich gehen KÖNNTE, ist VOR meiner
Generation erst spärlich Thema gewesen und hat sich MIT meiner Generation nicht gerade
als rasend populär erwiesen.
Daß nun angesichts des umfassenden Scheiterns
der ALTEN Konzepte so viele Leute hörbar nach den "alten Werten" rufen, ist ein
ziemlich grimmiger Witz unserer Kultur. Aber zurück zu den gegenwärtigen
"Kriegszuständen" im zivilen Leben.
Ich wiederhole in einem Punkt gerne:
Zivilisation bedeutet vor allem: Gewaltverzicht. Das ist eine anspruchsvolle KULTURELLE
Aufgabenstellung, denn ganz offenbar stattet uns unsere Natur nicht ausreichend mit
Friedfertigkeit aus.
Nächster Punkt: Die Kinder sind unsere
SCHUTZBEFOHLENEN.
Was immer die individuelle Geschichte des Tim
K. sein mag, die interessiert mich übrigens herzlich wenig, wenn Gewalt derart ausbricht,
hat es wohl davor an Schutz und Hilfe gemangelt. Mich beschäftigt dabei nun auch keine
Schuldfrage, denn dafür haben wir eine Rechtsordnung, Gerichte und das, was ich mir unter
einem "ordentlichen Verfahren" vorstellen darf ... möchte.
Ich habe kein Interesse daran, mich quasi als
juristischer Schwarzarbeiter auf dem Boulevard in das Verfahren einzubringen ... wie es
der Pöbel Österreichs gerade im Fall des Sklavenhalters von Amstetten übt; unter
professioneller Begleitung einer Journaille, die sich gar nicht mehr einkriegt, das
"Recht auf Information" hinzubiegen, hinzudeuten, damit es mit den
nachvollziehbaren Geschäftsinteressen der Meute vereinbar scheint.
Ich bekomme den medial vermittelten Hohn gegen
den zivilisatorischen Grundsatz "Recht statt Rache" zur Zeit tagtäglich
aufgedrängt. Auch dazu wiederhole ich gerne: Ich kann Rachebedürfnisse verstehen. Es
ginge mir selbst als Betroffener unter dieser oder jener Last kaum anders.
Aber genau deshalb darf das Rachebedürfnis
nicht ausgelebt, darf es auch nicht medial promotet werden. Und wo es sich ungeniert
äußerst, verlangt das nach Widerspruch, nach Einwänden.
Ich mache mir keine Illusionen über meine
Landsleute. Wäre der Zirkus der Antike noch zulässig, würden gegenwärtig vermutlich
nicht Christen, sondern Muslime zu einem Rendezvous mit den Löwen geschickt. Und eine
liebe Freundin, deren Lebenswandel ich für tadellos halte, wäre vielleicht vor ein paar
Wochen an einem Lampenmasten aufgeknüpft worden. Denn es war ihr eine alte Frau ins Auto
gelaufen, was deren sofortigen Tod zur Folge hatte.
Wir sind sehr darauf angewiesen, brauchbare
Regeln zu haben, falls schlimme Dinge passieren. Die können aber nicht mit einem
aufgebrachten Pöbel verhandelt werden.
Es ist schwierig genug, die Gewissenlosen in
ihre Schranken zu weisen, den Brutalen in die Arme zu fallen und eine KODEX in Geltung zu
halten, durch den Gewaltausbrüche geächtet erscheinen.
Juni
2006Man
darf sehen, da wurde gelebt.
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