12. Dezember 2008 Diese
stets präsente und ermüdende Hintergrundmusik in Lokalen und Geschäften. Geplärre. Da
sagt einer zwischendurch: "Jede kleine Spende zählt." Frag ich mich: Meint er
jetzt die österreichische Post? Banken? Amerikanische Automobilkonzerne?
Es ist schon verblüffend, wie hier die Weltfinazkrise
abgehandelt wird, während weihnachtliche Spendenaufrufe rausgehen. Da also Bankiers und
Konzern-Chefs quasi gleichermaßen um Geld anstehen wie mittellose Menschen. Eine
verblüffende Gleichzeitigkeit.
Cut!
In der komplex gebauten Geschichte "Weggehen und Wiederkommen"
(1985) läßt Regisseur Claude Lelouche einen Moderator zur Autorin und vormaligen
KZ-Insassin Salomé Lerner (gespielt von Evelyne Bouix) sagen, was die Menschen am Krieg
bewege, sei also "nicht die Konfrontation derer, die sich verabscheuen, sondern die
Trennung derer, die sich lieben."
Was für ein wichtiger Aspekt! Dieses Auseinanderreißen,
das etwa auch Alan J. Pakula 1982 in "Sophie's Choice" thematisiert hat. Im Zentrum solcher
Geschichten: Wie nachhaltig Menschen durch eine einzelne Entscheidung beschädigt werden
können. Wie tief die Verletzung und Verstörung sein müssen. Wie furchterregend, wenn
das zu einem gesamtgesellschaftlichen Geschehen wird. Aus welchen Gründen? Mit welchem
Nutzen?
Cut!
Ich habe vorgestern
das Beispiel Kosovo weiter behandelt, wo westlicher Eigennutz auch zehn Jahre nach
Kriegsende offenbar noch Schaden verursacht, den einzelne Menschen in ihren Existenzen zu
büßen haben. Gestern fand ich in "Der Standard" diese kleine Notiz.
Die "Eulex" beginnt also nun formell mit ihrer Arbeit in der jungen Republik.
Die "Zivilisierung" der "Fremdherrschaft" hat begonnen.
Das ist doch irgendwie der Schwank an der Geschichte. Rund
500 Jahre war die osmanische Dominanz in dieser Region als Fremdherrschaft empfunden
worden. Jüngst drückte eine albanische Mehrheit im Kosovo aus, |
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daß sie die serbische Dominanz
als Fremdherrschaft empfinde. Der Wendepunkt dieser Verhältnisse lag im Nato-Bombardement
Jugoslawiens. Immerhin, daran muß erinnert werden, der ungewöhnliche Fall, daß die Nato
einen souveränen europäischen Staat ohne Mandat der UNO und ohne Kriegserklärung mit
Waffengewalt angegriffen hat.
Seither besteht faktisch eine Fremdherrschaft
über das Kosovo durch Nato und EU; der Ausdruck dafür lautet "Protektorat".
Ich bin sehr neugierig, welchen Verlauf das alles nimmt. Damit meine ich vor allem zwei
Themenlinien. Einerseits den Weg des Kosovo in die Eigenständigkeit, der ja über
Rechtssicherheit, Aufbau der Wirtschaft und eine ganze Reihe übriger Entwicklungen sich
ereignen muß.
Damit meine ich aber andererseits eine aktive
Geschichtsschreibung, die uns vor allem die Rollen, Interessen und Anteile westlicher
Staaten am Zerbrechen Jugoslawiens darlegen soll. Denn es gab dafür ja keineswegs bloß
interne Gründe, sondern auch massive externe Interessen, die diesen Prozeß forciert
haben.
Diese Klärungen sind vor allem auch deshalb
wichtig, weil zu erörtern ist, mit welcher Autorität "der Westen" eigentlich
ausgestattet ist, um anderen Nationen Wege zu weisen und im Fall von Dissens mit
Waffenanwendung zu drohen.
Ich denke an Peter
Handke, der das ausdauernd kritisiert hat, wütend, polemisch, auch oft mit sehr
anfechtbaren Mitteln. Aber höchst stichhaltig. Anläßlich des Sezessionskrieges hat die
EU (mit der Nato) ihre selbstgewählten Regeln tief verletzt, um solche Merkwürdigkeiten
im Krieg gegen den Terror, in dem sich Präsident Bush als mutmaßlicher
Kriegsverbrecher profiliert hat, weiterzutragen.
Werden wir uns in absehbarer Zeit angemessen um diesen
Durcheinander kümmern? Oder müssen wir abwarten, bis ein Stand der Diskurse und der
Geschichtsschreibung uns mit den Nasen auf die wunden Punkte stößt?
Handke wurde für sein kritisches Engagement, freilich auch
für manchen irrationalen Ausritt, nicht nur angegriffen, diffamiert, geächtet. Ich
staune immer noch, welche Anfechtungen man selbst im Alltag erleben konnte, wenn man
fragte, womit genau diese Anfeindung Handkes zu belegen wären: Bitte um ein Zitat, das
belegt, was man Handke vorwirft!
Mir hat sowas meist nur Staunen oder Beschimpfungen
eingebracht, aber keine Belege; Quellen wurden mir nie vorgelegt. Was ich daraus
schließe? Meine Leute WOLLEN sich nicht damit auseinandersetzen, welche Rolle die Nato in
all dem gespielt hat, wie wie durch EU-Verbündete damit verknüpft sind und was es
bedeutet, daß durch die "Bewirtschaftung" der "Kosovo-Krise" Amerika
zum größten Stützpunkt in dieser Region kommen konnte, der ja mutmaßlich während
meiner Lebenszeit nicht wieder abgebaut werden wird: Camp
Bondsteel.
[Der "Balkan-Reflex"]
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