20. Oktober 2008 Wenn im
Supermarkt Äpfel und Trauben aus den Regalen quellen, wenn ein 180er Steyr, frisch
abgestaubt, dort, höchst ungewohnt, an Erntearbeit denken läßt, brüllt so ein
schmuckes Ensemble: Herbst!
Der alte "Kurzschnauzer" ist ein Produkt jener
Nachkriegszeit, in der die Landwirtschaft der "Modernisierung" gewidmet worden
war. Die Legende besagt, daß die ersten dieser robusten und langlebigen Maschinen mit
alten Flugzeugreifen versehen waren, weil Rohstoffe anfangs so knapp gewesen sind.
Die Modernisierungsbestrebungen in ländlichen
Gebieten, gegen viele Arten von Rückständigkeit aufgeboten, hatten sehr unterschiedliche
Quellen. Eine davon wurde später das Abwandern urbaner Bevölkerung aus Zentren, wo ihnen
das Niveau der Lebensqualität mißfällt. In Summe höchste komplexe Prozesse und
Wechselwirkungen.
Ich hänge sehr an diesem Thema: Was denn nun
"Provinz" sei und welche Arten von Rückständigkeit zur Debatte stehen. Das ist
längst nicht mehr an alten Milieubeschreibungen festzumachen. Und wo MEIN Metier eine
Rolle spielt, die Gegenwartskunst, hat Rückständigkeit überall ihre Proponenten ...
quer durch unterschiedlichste Milieus. Bis in die Gegenwart.
Ist das wichtig? Mir schon. Ich hab gestern einige Aspekte dieser Geschichten
angerissen. Worum ringen Leute wie ich, wenn sie der Kunst höheren Stellenwert
verschaffen wollen? Da geht es nicht primär um einen prominenteren Sockel für einzelne
Werke. Da geht es auch nicht um mehr Augenmerk für die einzelne Person. (Obwohl
unbestritten bleibt, daß Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit sehr wohltuende Zustände
beziehungsweise Ereignisse sind.)
Aber mehr noch liegt mir an einem GEISTIGEN
KLIMA. An bestimmten Diskursgrundlagen. An Vorstellungen von intellektueller Redlichkeit.
Ich habe gestern den
Lieutenant Colonel Bill Kilgore als einen Prototypen des brutalen Surfers vorgeführt.
Eine Metapher. Der Surfer auf den Wogen der Komplexitätsreduktion und der
Menschenverachtung. Der Strand solcher Surfer ist der Boulevard. Es ist HÄRTER angelegt,
als man gemeinhin denkt. Ein Beispiel:
Was fällt einem auf, wenn man diese paar Zeilen aus der
"Kleinen Zeitung"
Zeilen überfliegt? Es drängt sich folgende Frage auf: Wie sollte es Sportler Kohl denn
angestellt haben, "ein ganzes Land in Radsport-Hysterie" zu versetzen?
Genau! Das hat er nicht und das kann er auch
gar nicht.
Erst durch den Zugriff und Durchgriff von MEDIENLEUTEN
wäre es DENKBAR, daß eine "Hysterie" entstünde. Die Erfahrung zeigt, daß vor
allem Medienleute derlei aber oft nur behaupten. Weshalb? Um ihren eigenen Zugang zu einer
Story aufzuwerten.
Oder sie schaukeln ein Thema hoch. Was sie nun selbst aus
vorwiegend ökonomischen Gründen evoziert haben, wird dann plötzlich die "Hysterie
eines ganzen Landes" vorgeführt.
Man nennt sowas "Hype". Das
bedeutet "Medienrummel", "Schwindel",
ein Aufbauschen dessen, was der Fall ist.
So ging das übrigens auch einige Jahrzehnte mit Jörg
Haider. Seine fraglos ausgeprägten Talente wurden von Medienleuten aufgegriffen, in
Feedbackschleifen geschickt, ideell und kommerziell verwertet. Nimmt man diesen Anteil
eines sehr durchsichtigen Hypes heraus, bleibt von Haiders Nimbus eigentlich bloß eine
eher bescheidene Ausstattung für einen regionalen Popanz über.
Polemisch verkürzt:
Haider ist herbeigeschrieben worden. Sein Haupttalent war das eines Artisten, der
Garderobe und Grundsätze schneller wechseln konnte als irgendjemand sonst; bei
gleichzeitig hoher Attraktivität für Medienleute. Ein Avatar. Ein Medienereignis.
Was ihm jetzt, kurz nach seinem Tod, so alles angedichtet
wird, hat nur sehr wenig mit Haider zu tun, sehr viel mehr mit jenen Leuten, die von
diesem Hype profitiert haben, die Teil jenes Hypes waren. Sie alle wären schlagartig
abgewertet, würden sie zulassen, Haider auf sein eigenes Menschenmaß herunter zu holen.
Der Glanz auf ihren Gesichtern wäre von einem auf den
nächsten Augenblick weg. Jener Glanz, den sie selbst als Schweinwerferstrahl auf den
kalten Trabanten Haider abgeschickt hatten, um sich im trüben Licht, das zurückkam, zu
sonnen.
Ich gebe zu, auch DAS ist eine polemisch verkürzte
Darstellung. Eher die flüchtige Skizze eines Vorganges, denn eine profunde Aussage über
den Menschen Haider. Der interessiert mich auch kaum, weil er hinter dem Avatar Haider
weitgehend unsichtbar geblieben war.
Mich interessiert das geistige, politische und kulturelle
Klima in diesem Land. Das Spiel mit Schlaglichtern und die Spielarten von Medien-Hypes.
Die Kreidefresserei von politischen Opponenten Haiders und der vielfach auffindbare Mangel
an intellektueller Redlichkeit.
[Wir Kinder des Kalten Krieges]
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