14. August 2008 Das
Gleisdorfer "Museum im Rathaus" ("MIR"), die Ausstellung "augenhöhe:
blicke worte", wird heute abgebaut. Hier der Künstler Detlev Hartmann im
"MIR".
Ich habe gestern
auf seine Ansicht verwiesen, das Spielerische sei eine wichtige Verfahrensweise in der
Kunst. Das korrespondiert mit einer Passage in der Polemik, die ich in der Ausstellung
"PUR" vorgetragen habe:
>>Die Kinder lehren uns, daß es keine radikalere
Form des Forschens und Lernens gibt als das Spielen. Forschen und Lernen sind bewährte
Anteile künstlerischer Praxis. Also müssen wir bei unserer Arbeit auf spielerischen
Arbeitsformen bestehen.<< [Quelle]
Warum ich das in diesem Zusammenhang erwähne? Auch
darüber hab ich mit Hartmann gesprochen. Ein lebhaftes geistiges Klima. Das verlangt in
der "Provinz" andere Aktivitäten als in den Zentren. Diese Art des kulturellem
Möglichkeitsraumes ist hier "heraußen" ungleich stärkeren entropischen
Kräften unterworfen. Wo ich die Ereignisse nicht laufend in Verbindung halte, zerreißen
die Zusammenhänge sofort, verflüchtigen sich die Resonanzen und Korrespondenzen.
Dieser zentrale Aspekt des kulturellen Geschehens ist
gelegentlich auf bedauerliche Art von "blinden Flecken" verdeckt. Wie oft habe
ich in den letzten Monaten gehört, Kunstschaffende könnten und wollten sich nicht um
diese sozialen und kulturpolitischen Fragen annehmen, weil das ihre Kraft vom
künstlerischen Tun abziehen würde.
Dummerweise wird dieses künstlerische Tun keine
Öffentlichkeit finden, wenn man an solchen Ansichten festhält. Ich möchte das ganz
bewußt eine "Strukturblödheit" nennen. Geprägt und unterwandert von
historischen Motiven, die sich polemisch in einem Wort zusammenfassen ließen:
"Paris!" Hinterlegt von einem leisen "New York", beeinflußt von
Künstlerbiographien, die idealtypisch in diesen Städten zur Inszenierung kamen. Offenbar
lassen sich Kunstbeflissene in der "Provinz" nicht davon abbringen, an derart
romantischen Klischees vom Künstlerdasein festzuhalten. Anstatt ein Zusammenwirken und
Zusammenhängen einschlägiger Ereignisse zu verfolgen.
Ich habe Werner Herzogs "Fitzcarraldo" gerne
gelegentlich als Metapher gebraucht. Wenn sich etwa jemand ein Kulturhaus in die
"Provinz" stanzt, das auch nach Jahren nicht vom regionalen Publikum angenommen
wird. Wenn die Hütte trotz gastierender Mainstreamgrößen wie Menasse oder Liessmann von
den Zentren aus bloß höchst selten besucht und gewürdigt wird. Wenn der Schuppen
überdies auch keine Anziehungskraft für regionale Kulturschaffende entwickelt, etwa, um
neue Netzwerke entstehen zu lassen.
Wenn all das vor allem ein Medienereignis ist, also seine
wesentliche Legitimation daraus bezieht, in den Medien vorzukommen. Wenn all das nur
gerade reicht, um in Bestand gehalten zu werden und ein kleine, eingeschworene Sippe im
Boot zu halten, dann ist das eben etwas so Nobles, wie ein Opernhaus im Urwald. Es dient
vor allem den privaten Obsessionen einiger weniger Leute. Es ist strukturell und
kulturpolitisch von bloß geringer Bedeutung.
Aber! Fitzcarraldo ist auf jeden Fall noch für eine ganz
andere Deutung gut. Das Bild zeigt einen Moment, wo der Held (Klaus Kinski) mit einem
Kautschukbaron auf Konfrontation geht. In dieser Sequenz hebt der Unternehmer das Glas und
sagt:
>>Auf Fitzcarraldo, den Eroberer des
Nutzlosen.
Auf Ihr Wohl!<<
Das ist eine wesentliche Passage des Films, denn sie
drückt etwas Grundlegendes über die Kunst aus. Die unerschütterliche Passion
(Fitzcarraldo), das hohe Niveau (Caruso), die unglaublichen Ziele (der entlegene Bau), die
Unerschrockenheit gegenüber Barrieren (der Berg), das vorläufige Unverständnis von
Leuten in "wohlgeordneten Verhältnissen" (der Unternehmer) ... diese Aspekte in
der Zusammenschau zu verfolgen hat uns aus den Steinzeithöhlen herausgeführt.
Aus diesen Steinzeithöhlen entkommen haben wir manche
Fragen stets neu zu klären. Was das Nützliche und das Unnütze sei. Womit unser Leben
ausgestattet wird. Ob die Liebe gelingt oder nicht. Wie wir unsere Zeit verwenden. Was wir
spüren, wenn einem die Zeit zur Neige geht.
Was auf dem oben gezeigten Bild im Schneefall New Yorks
beginnt, endet unter der Sonne Afrikas. Bernardo Bertolucci hat in der Verfilmung eines
Romans von Paul Bowles eines der
bewegendsten Werke zu diesen Fragen geschaffen. "Himmel über der Wüste"
ist Schrecken und Ermutigung in einem Atemzug. Ermutigung für die Kunst, die großen
Emotionen, die Wagnisse, mit dem Risiko alles zu verlieren.
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