10. August 2008
Auf dem Weg zum Treffen mit Autorin Evelyn Schalk (Siehe
"next code"-Log Eintrag #90!) befindet sich eine Tankstelle, an der ich nie
unaufmerksam vorbeigehe. Die Linienführung des Roten hat mich auf Anhieb an einen Matra
Bagheera denken lassen.
Das war ein kurioser Dreisitzer, der durch meine Jugendtage
gegeistert ist. Aber von der Seite gesehen ist diese Fuhre dann etwas zu gedrungen und die
markanten Luftschlitze hinter der C-Säule weisen auf einen Mittelmotor hin. Da sitzt auch
tatsächlich einer. Was der ausgesucht unfreundliche Mensch mir bestätigte: Ein Ferrari
Dino 208 GT4.
Cut!
Ich hab in den letzten Tagen einige meiner Kolleginnen und
Kollegen manchen Unfreundlichkeiten ausgesetzt. Mit der blumigen Behauptung hinterlegt,
das Simplifizieren sei eines Künstlers unwürdig. Ich halte an dieser polemischen
Position fest.
Ich will jede Annäherung an Usancen des Boulevards, wenn
sie nicht erkennbar ironisch gebrochen ist, als eine Art Disqualifikationsverfahren
deuten. So ist schließlich auch über den Priester Ottokar Kernstock zu urteilen, der
Gegenstand einer unserer Sessions war. (Siehe den Eintrag
von gestern!)
Sein künstlerischer Rang ist im Nullbereich. Seine
Polemiken, Haßtiraden und Anbiederungen haben sich als Legitimation der
Menschenverachtung angeboten. (Ich bin sehr vergnügt, daß auch der dritte
Veranstaltungsabend von "next code: divan" sich so lebhaft eingelöst hat.)
Ein Sprung in die Gegenwart. Auf dem
Boulevard wird gerne verkürzt und vorverurteilt. Robert Treichler hat im "profil" eben erst sehr deutlich
daran erinnert, was ein Rechtsgut ist, das wir nicht preisgeben dürfen. Der provokant klingende Auftakt seines Artikels betont, daß erst
ein ordentliches Verfahren, abgeschlossen mit einem gültigen Urteil, klärt, ob jemand
als schuldig und als Täter gelten muß.
Bis zu dieser Markierung gilt die "Unschuldsvermutung". |
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Aber zurück zum Abend mit der
Kernstock-Geschichte, in der Puppenspielerin Elfi Scharf einmal mehr gezeigt hat, welches magische Genre sie
repräsentiert und wie präzise sie den Tonfall trifft, der in jener von ihr vorgeführten
Situation herrscht.
Ambivalenz ist ja ein akzeptabler und
naheliegender Zustand. Woher sollten im Alltag stets Eindeutigkeiten entstehen? Auch die
künstlerische Praxis wäre verloren, wollte man sie auf Eindeutigkeit festlegen. Graphic
Novelist Jörg Vogeltanz schrieb mir
zu meiner gestrigen Notiz:
>>stimmt, blödsinn. ein künstler,
der durch beschäftigung mit politik "ausblutet", muss ein hobbypinsler sein.
oder schon so mit seinem elfenbeintürmchen verwachsen, dass er nicht mehr die kraft
aufbringt, aus arkadien hinauszuwandern.<<
Allerdings werden Termini wie
"Politik" und "politisch" gerne recht unscharf verwendet. Eine sehr
populäre Legende schreibt "Das Politische" ganz salopp "Den
Politikern" zu, was "Die Beamten", also die Verwaltungsebene, gleich
mitrechnet. Solche Vorstellungen passen natürlich für die Bewohner von Arkadien.
Ich hab dagegen gestern ganz bewußt den Begriff "Gemeinwesen" verwendet,
dessen lateinische Version "polis" eine der Quellen unseres Wortes
"Politik" ist; die andere lautet "politiké" und meint mit
"Staatskunst" die "Profiliga".
Wenn wir also "Politik" sagen und
über "Politik" reden, kann das niemals bloß "Die Poliker" meinen. Es
MUSS auch jene Lebensbereiche meinen, in denen wir stehen, agieren, schweigen oder
sprechen ... Um weitere meiner Lieblings-Mantras zu wiederholen, auch noch dieses: Was den
Bürger vom Untertan unterscheidet, ist die Teilnahme am politischen Leben.
Wer meint, genau daran auszubluten, sei in die
Leibeigenschaft zurückempfohlen, da war es ja vielleicht heimeliger. (Kleiner Scherz!)
Vogeltanz schrieb weiter:
>>ein künstler, der sich allerdings
nur mehr politisch betätigt, sollte dies zumindest per definitionem zur kunst erheben,
sonst hört ihm keiner mehr zu :-)<<
Davon halte ich freilich gar nichts. Wenn ich
mich der Kunst widme ist es eine Sache, wenn ich mich Fragen des Gemeinwesens
widme eine andere. Wer eventuell wünscht, allein schon sein Dasein als Kunstwerk
auszuweisen, stellt sich meiner Einschätzung nach in eine unüberschaubare Reihe von
Höflingen, die sich eine priesterlich-aristokratische Existenz zurechtwünschen, welche
mit sozialen "Sonderrechten" ausgestattet sein solle. Daran finde ich keinen
Geschmack.
Außerdem halte ich das Werk, die Profession,
die Diskurse über die Branche für ganz verschiedene Kategorien ...
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