22. Juli 2008 Eine
nächtliche SMS aus Serbien: "Radovan Karadzic ist verhaftet!" (23:28:57 Uhr)
Später der Nachsatz: "Immer, wenn ich hier bin, passiert was." (Zuletzt war es
die Herauslösung des Kosovo aus Serbien. Mit unruhigen Reaktionen aus Rußland.)
Wie bequem wir hier doch leben, wo etwa unsere Behörden
den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Milivoj
Asner, vormaliger Funktionär der Ustasche, bis heute unangefochten in Kärnten leben
ließ, obwohl er vor allem von südslawischer Seite zur Rechenschaft gezogen werden
sollte.
>>Der Pressedienst des serbischen Präsidenten
Tadic teilte Montagabend mit, dass der 63-Jährige "in einer Aktion der serbischen
Sicherheitsdienste aufgespürt und festgenommen" worden sei.<< [Quelle]
Warum ich diese beiden Motive in einem Atemzug nenne? Weil
ich der Meinung bin, daß es zwischen den 1940er- und 1990er-Jahren kausale Verbindungen
gibt, nicht nur unter den südslawischen Völkern; da steckt ganz Europa drinnen.
Ich bin sehr neugierig, was wir dereinst von der
Geschichtsschreibung erfahren werden, welche Deals da gehandelt wurden und welche Rollen
auf westlicher Seite dabei wie besetzt waren.
Cut!
Gleisdorf als nördlichster Ereignisort an der Wand der
"lokalen zentrale", ich führe die kleine Erörterung von gestern weiter. Was ist denn das mit den
Inszenierungen auf dem Kunstfeld? Warum herrscht da so ein Gerenne und Gedränge?
Ich mach es kurz und polemisch:
Schneller kommt man kaum auf die Bühne einer lokalen, bzw. regionalen Öffentlichkeit.
Außer man fährt sein Auto mit 2,5 Promille gegen eine allgemein beliebte Würstelbude,
hackt jemanden um, zündet etwas an etc.
Sichtbarkeit. Sozialprestige. Rang. Breitere
Anerkennung oder wenigstens Neid.
Wie ist das zu erreichen? Man könnte Bürgermeister
werden. Aber diese Jobs sind nicht gar zu oft vakant. Auch ein Dechant wird entsprechend
wahrgenommen. (Wenige offene Jobs verfügbar.)
Man könnte mit seinem Unternehmen auffallenden Erfolg
haben. Man könnte eine wenigstens regionale Größe innerhalb formaler Systeme geworden
sein. Dekan an einer Universität oder Land- bis Bundestagsabgeordnete. Das geht.
Man könnte auch etwas erfunden haben, das enorm nützlich
oder sehr verblüffend ist. Vielleicht ist man überaus verhaltensoriginell, was sich in
Kleidung, Gesprächsstil oder Haustierhaltung ausdrücken kann. Vielleicht geht man mit
großer Ausdauer allen erreichbaren Opinion Leaders der Region auf den Geist.
Also! Wege ans Licht. Ans Licht der Öffentlichkeit. Das
betreten bedeutender Positionen ... im Sinne von: Bedeutung erlangen. Das ist nichts, was
primär mit zentralen Bereichen der Kunst zu tun hätte. Aber es ist den Kunstschaffenden
meist doch wichtig. Wir verbergen das bloß gerne hinter einem Geschwurbel über Berufung,
Wahrhaftigkeit und andere edle Vorfälle, die einen der Trivialität entreißen sollen.
(Wahres, Schönes und Gutes nicht zu vergessen.)
Andy Warhol wurde darin bis heute kaum entkräftet.
Wenigstens für ein paar Minuten ein "Star" sein, und wäre es bloß innerhalb
einer überschaubaren Reisegesellschaft oder Dorfgemeinschaft. Aber! "Star"
sein. Wahrgenommen werden. Ernst genommen werden. Gesehen werden. Gehört werden.
Da meinen manche, dies sei auf dem Kunstfeld mit dem
geringsten Aufwand zu erreichen. (Wird nicht funktionieren!) Ich hab das eben erst im Log
von "next code" zum Thema gemacht:
>>Es geht um Fachthemen, Jargon, Sachkenntnisse,
Horizonte ... und das gilt für praktisch jeden Lebensbereich.<< [Quelle]
Metapherngeschäft. Die Straßenschuhe von Leo Aumüller
neben einem 1968er-Prototyp von Carlo Abarth. Ich hab das in der oben genannten Quelle als Metapher
genommen, daß man in vielen Tätigkeitsbereichen zwischen Professionalität und
Hobbyismus unterscheiden kann.
Man müßte gar nicht streiten, denn letztlich zählen und
sprechen ja die Ergebnisse. Es ist wie mit Aumülllers Straßenschuhen. Die in der Box
bleiben. Und was kommt draußen auf der Strecke zustande? Genau! Das Werk! Doch zurück
zur Frage nach den "Wegen ans Licht" der Öffentlichkeit, nach Sichtbarkeit,
Sozialprestige, Rang, breitere Anerkennung oder wenigstens Neid.
Du wirst einem tüchtigen Geschäftsmann kaum vormachen
können, daß du dich auf die Geschäfte verstehst, wenn es nicht zutrifft. Das ist auf
dem Kunstfeld kaum anders. Und wenn irgendwo etwas wie kritischer Diskurs gar nicht
aufkommen möchte, darf man vermuten: Da soll ein Schleier über grundlegende Fragen
gebreitet bleiben.
Das hat vor allem jenen bedrückenden Nachteil:
Diese Art der Verdunkelung von Intentionen und Modi begrenzt die Möglichkeitsräume und
blockiert verläßlich jegliche Entwicklung. Letztlich wird sehr leicht eine Art von
"Nieten- Solidarität" daraus, denn wer auf schwachen Fundamenten steht, darf
den Zugang wacher, kritischer Leute nicht zulassen. Dadurch sackt jede Gemeinschaft
verläßlich ab.
Falls das geschieht, ist die Aussicht auf auch aller
billigste Profite verspielt. Es bleibt nur das schmale Kissen der eigenen
Mittelmäßigkeit übrig. Damit löst sich das ein, was seit der Griechischen Antike unter
"Idiotes" verstanden wird. Mit sich selbst befaßte, von der Welt abgewandte
Langweiler ...
Zu diesen und anderen Fragen einer
demokratischen Öffentlichkeit, zu den Anforderungen kritischer Diskurse in öffentlichen
Räumen, zu den Mitteln dafür, also zu den Medien, habe ich hier immer wieder das
Stichwort "Boulevard" strapaziert.
Die Medienanwältin Maria Windhager hat Anfang
Juli einen Internet-Chat absolviert, wo es um diese Themen ging. Die Frau bestätigt eine
"Boulevardisierung" Österreichs. (Quelle: "Der Standard")
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