16. Juni 2008 Das Jahr 1848
ist in unseren Breiten mit dem Stichwort "Bauernbefreiung" verbunden. Was
bedeutet, daß die "Erbuntertänigkeit" abgeschafft wurde. Adel und Klerus
hatten Teile ihrer alten Rollen, Rechte und Aufgaben hinter sich zu lassen. Es ist das
Jahr und der Umbruch, denen wir Einrichtungen wie die Bezirkshauptmannschaften verdanken.
Denn das "Abdanken" der alten Herrschaft verlangte neue Rechtsformen und
staatliche Institutionen. (Gerichtsbarkeit etc.)
Aber vom Untertan zum Bürger zu werden scheint heute noch
unter die sehr mühsamen Prozesse zu fallen. Feudale Motive schlagen immer wieder kräftig
durch. Eines davon lautet: Noble Distanz zum Geld. Das war eine Attitüde von sehr
wohlhabenden Leuten, die so ihre besondere Stellung ausdrückten. Geld? Darüber redet man
nicht, das hat man.
Für mich ist es genau umgekehrt. Da ich oft keines habe,
rede ich gelegentlich darüber. Nun betreibe ich zwar keine völlig "brotlosen
Künste", aber "gut verdienen" ist was völlig anderes. Worüber ich mich
nicht beklage, weil das schmale Einkommen zum Beispiel ein Preis für ein hohes Maß an
Selbstbestimmung ist. Kein übles Geschäft!
Ich habe gestern
das "Motivationselend" österreichischer Arbeitskräfte erwähnt, von dem
heimische Zeitungen berichten. Wer sich klar macht, wie zerstörerisch subjektiv
empfundene Sinnlosigkeit ist, ahnt, wie gut mein Geschäft ist, zuweilen "schlechte
Geschäfte" zu machen. Denn was immer mir auch materiell manchmal fehlen mag,
"Sinnkrisen" kenne ich eher nicht. Motivationsmangel ist mir auch völlig fremd.
Als bekennender Verehrer von Bette Davis führt für mich
kein Weg an ihrem großen Duett (oder Duell?) mit Joan Crawford vorbei. Der Abspann von
"What Ever Happened to
Baby Jane?" ist über jene Strandszene gelegt, wo sich -- wie in einer
griechischen Tragödie -- die wahren Zusammenhänge offenbaren, während die Katastrophe
ihren Schlußpunkt erreicht.
In diesem Abspann erscheint ein interessanter Firmenname,
dessen Ursprungsbezug heute ein wenig in Vergessenheit geraten ist. "Seven Arts"
= die sieben "Freien Künste".
Die "Freien Künste" standen im Altertum im
Kontrast zu den "Praktischen Künsten", welche dem Broterwerb gewidmet waren.
Ich betone das, weil ich im Eintrag #79 des Log von "next code" gegen jene laut geworden
bin, die beim Zusammenhang von Kunstpraxis und Gelderwerb auf höchst prüde Art von
"schnödem Mammon" zu reden belieben. So als wäre es anrüchig, seinen
Unterhalt verdienen zu wollen, wenn man sich derart "edlen" Unterfangen wie der
Kunstpraxis widmet.
Das kann sich nur jemand ausdenken, der keine Geldsorgen
kennt, der also jemandes Günstling ist. (Ausgenommen die Möglichkeit "mönchischer
Wege", da man seinen Idealen in äußerst enthaltsamer Lebensweise nachgeht.) Dem
gegenüber war es seit der Antike ganz normal, das Kunstschaffende sich damit auch um
ihren Brotwerwerb kümmern. Ich halte es für interessant, was EINST dem einen wie dem
anderen Bereich zugerechnet wurde.
Als "Freie Künste" galten:
Grammatik, Rhetorik und Dialektik, ferner Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie.
Als "Praktische Künste" galten:
Die bildenden Künste, die Baukunst mit allen ihren handwerklichen Notwendigkeiten,
außerdem viele andere Arten von Handwerk, das "Bekleidungshandwerk" wurde
extra gewertet, auch die Landwirtschaft zählte zu den "techné", was
gleichermaßen Handwerk und Kunstfertigkeit bedeutete.
Nun kennt jede Kultur Bedeutungswandlungen in ihren
Begriffen. "Die Kunst" muß demnach nicht so verstanden werden, wie es in der
Antike der Fall war. (Philosoph Erwin Fiala hatte in seinem Vortrag "Was ist Kunst?"
klar betont, daß es überhaupt keinen Kunstbegriff gebe, der über die Zeiten hinweg
Gültigkeit habe.)
Aber wer den Kunstschaffenden verwehren möchte, daß sie
vor allem mit ihrer künstlerischen Arbeit auch ihren Unterhalt verdienen mögen, wofür
GELD nun einmal das am besten eingeführte Medium ist, wünscht sich die Leute in eine
Abhängigkeit, wie sie einst gegenüber den Fürsten und Bischöfen bestand.
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