8. Juni 2008 Diese Art
Donnergrollen kenne ich gut. "System
of a Down" verkünden Ratschläge für das Leben junger Leute, denen Kerle wie
ich nun als gelegentlich besorgte Väter gegenüber stehen. Vor allem, wenn es so über
den Asphalt geht, frei von uncool aussehenden Protektoren, die dazu gemacht sind, sie sich
um Knie, Ellbogen, Handgelenke und den Kopf zu wickeln. (Dabei bleiben noch mögliche
Rippen- und sonstige Brüche ganz und gar unbedacht.)
Der mächtige Generator am Rande des neuen Skater-Parks bei
Gleisdorf befeuerte die kräftige Anlage, gegen die kein Einwand möglich schien.
"System of a Down" verkündete, wie angedeutet, Ansichten der Art:
"Disorder! Disorder!"
Immerhin waren rund um die Grube genug andere Väter, um
einander Trost zu spenden, daß es eben an unserem Alter liege, an diesem kindischen (und
NICHT: kindlichen) Wissen über all die Möglichkeiten und Brüche, für das uns die
Youngsters zurecht ein wenig verachten.
Ich war mit einem der Väter einig: Genau das ist jetzt
unser Job. Ihnen die alten Deppen zu geben, die sich um alles Sorgen machen. So cool
werden diese Bürschchen in ihrem Leben nie wieder sein. (Schon wieder so ein Stück
kindisches Wissen um den möglichen Lauf der Dinge.)
Was " a boy's thing" sei, ist im gestrigen Eintrag eh zur Sprache gekommen. Etwa ein
Porsche mit 500 PS. Aber ich gestehe: Heute sagt das nicht so viel wie etwa vor rund 40
Jahren, da es noch keine der elektronischen Assistenzsysteme gab, die einen vor bitteren
Blamagen und gefährlichen Fehlleistungen bewahren. Wie zu Zeiten dieses 1961er Chrysler
Newport, den ich bei meiner Ausfahrt in der Nähe von Ilz entdeckt hatte. Zu der Zeit
wäre ein 500 PS-Auto nur von sehr erfahrenen Piloten zu bewältigen gewesen.
Also kurz zurück zu dem, was ich gestern im Kunstkontext schon angedeutet habe. Im Film (Ice Storm) von Ang
Lee ist die Konfrontation zwischen arroganten, sehr gut situierten Erwachsenen und ihren
Kindern penibel inszeniert. Darin liegt eine der Parallelen, besser: Querverbindungen zu
Antonionis Zabriskie
Point.
Einen Teil der Geschichte läßt Ang Lee in diesem Haus
spielen. Ein großer Ausruck von nobler Distanz. Entlegenheit. In diesen Bäumen rauscht
es oft wie später auch in "Crouching Tiger, Hidden Dragon". Eine ähnliche Situation (Wind
in Bäumen) findet man in einem anderen Antonioni-Film an markanter Stelle: "L'Eclisse". Solches
Rauschen in den Blättern kommt auch ganz erheblich bei Akira Kurosawa vor.
Daran interessiert mich einerseits das Ausdrucksmittel eins
"außersprachlichen Erzählens" und andrerseits das Zitieren. In der Regiearbeit
scheint das bis heute ganz selbstverständlich zu sein. Selbst die Meister, hört man sie
über die Arbeit erzählen, schulen sich an anderen Meistern. Die bestehenden Werke sind
Quellen ästhetischer Erfahrungen.
Die Arroganz gut situierter Erwachsener hat auch Fellini
herausgearbeitet. In "8½"
nimmt er zugleich noch die Fragen nach Bedingungen der Kunst und Bedingungen der Macht
sowie die zynischen Konsequenzen des unbewältigten Alterns durch.
An einer Stelle sagt Guido: "Eminenz, ich bin nicht
glücklich." Der Kardinal antwortet: "Warum sollten sie glücklich sein? Das ist
nicht ihre Aufgabe, mein Sohn. Wer hat ihnen gesagt, daß man auf die Welt kommt, um
glücklich zu sein?"
Wir erzählen uns die Welt. Davon handelt Kunst. Es
geschieht mit sprachlichen und noch viel mehr außersprachlichen Mitteln. Vogeltanz mailte mir:
>>(natürlich: du wirst jetzt zig filmexpertInnen
finden, die dir logisch-technische verbindungen aufzeigen... aber woher kommen diese denn?
was treibt zwei künstler dazu, sich so ganz im emotionalen anzunähern, wenn es denn
nicht gegenseitiges "verstehen" ist?) und auch wenn du es nicht so gerne hörst:
wenn es etwas ganz konkretes gibt, was den einen menschen mit dem anderen verbindet, dann
ist es vor allem anderen "das gefühl"...: <<
Gut. D'accord! Aber "Gefühl" ist eben ein
innerer Vorgang und kein Ausdruck. Subjektivität pur. Ich neige sehr dazu, die inneren
Vorgänge von Kunstschaffenden für deren Privatsache zu halten. Als Rezipient möchte ich
damit eigentlich nicht behelligt werden. Gefühslausbrüche von Künstlern gehen mir auf
die Nerven. Ich möchte dagegen, daß die Werke und ihre Rezeption bei mir innere
Vorgänge initiieren. In diesem Abschnitt des Geschehens sind mir die Autorinnen und
Autoren von Werken so was von wurscht, das kann ich gar nicht in Worte fassen.
Fellini läßt in "8½" darauf hoffen, die Kunst
könne helfen, alles zu begraben "was wir an Totem in uns haben". Eine
Herausforderung, die besteht.
[kontakt] [reset] [krusche] |