4. Juni 2008
Mark Blaschitz kratzt sich nachdenklich am Kopf. Die
Geschichte ist mehr als komplex. Im Grazer "forum stadtpark" hieß es: "The
Worlds Best Workshop Looking for Art Gallery." (SPLITTERWERK: 20 Jahre
Kunstproduktion)
Das ist eine sehr unaufgeregte Art der Sprachregelung:
Kunstproduktion. Im Kontrast zu Kunstschaffen. Die Paraphrasen kanonisierte Meisterwerke,
die man im Hintergrund an den Wänden sieht, hingen übrigens zum ersten Mal überhaupt in
Gleisdorf ... bei "next code: love". Blaschitz war auch einer der Hauptakteure bei
unserer ersten Session von "next space".
Was darauf hinweist, daß erstens Kunstschaffen und
Reflexionsebene gut beinander zu halten sind, darin sind wir uns einig, und daß zweitens
das Motiv "Zentrum/Provinz" nun wohl endgültig ausgedient hat. Wir bewegen uns
und handeln in "Raumgefügen", in Bezugssystemen, innerhalb derer natürlich
Bezugspunkte wie "Graz" oder "Gleisdorf" wichtige Orientierungshilfen
bleiben. Aber die "alten Gefälle" vermögen wir in unseren "Zonen"
längst einzuebenen.
Zusammenhänge, die ich übrigens auch mit Dieter Spath,
dem künstlerischen Leiter des Festivals "regionale 08" debattiert habe. HIER eine
erste Radiosequenz davon. Warum das von Belang ist? Ich hänge der Auffassung an, daß die
Kunst in der "Deutung der Welt" dem Journalismus, der Wissenschaft, der Politik
und anderen Disziplinen nichts nachsteht, wenn sie auch teils ganz anderen Regeln folgt.
Das hat dann seine Querbezüge zu den Fragen des Regionalen; da ergeben sich
soziokulturelle Aufgabenstellungen; INNERHALB derer Kunstpraxis eine Bedeutung findet.
Ob das auch mit DIESER Seite zusammenhängt, die man an mir
schon kennt? Allerdings. Doch der Ausgangspunkt ist natürlich sehr trivial. Auf dem
Heimweg vom "forum stadtpark" sah ich aus dem Augenwinkel ein ungewöhnliches
Heck in der Waschbox. Ich muß meist nur ein Fragment erblicken, um zu wissen, daß ich
fündig werde. Was ich dann fand? Das ist ein äußerst rarer Lotus Elan, letzte Baureihe,
Jahrgang 73.
Auf der neuen Leiste "high performance"
finden sich Hinweise, wie und warum die Leidenschaft für diese Dinge eine enorme
kulturelle Vorgeschichte hat und schon in der griechischen Mythologie erzählt wird.
(Stichworte: Phaeton und Ikarus) Was dann auch zu Aspekten wie "Der Lack der
Langsamkeit" führt: [link] (Davon erzähle ich später noch.)
Es ist eine spannende Aufgabenstellung, das Triviale, das
oft nicht "als der Kunst würdig" eingestuft wird, in solchen Zusammenhängen zu
verknüpfen. Doch augenblicklich ist hier noch an die
"Kunst-in-den-Medien-Debatte" anzuknüpfen:
Wenn zwar früher "halt alles damals" war (Siehe
den Eintrag vom 30.5.2008!), wir aber dort
hoffentlich nicht sind, im Damals, wo sind wir dann? Manche Kunstschaffende meinen, im
Zustand von Rebellen oder von Bohemiens. Zur Anmaßung des "Rebellenhaften" kann
man ohnehin nur beschämt schweigen. Wer in Österreich so eine Attitüde vorführt,
brüllt in die Welt hinaus, daß er von der Welt definitiv nichts weiß.
Was dagegen Bohemiens auf dem Kunstfeld angeht, das ist ja
eine völlig antiquierte Pose. Dazu ist mir in den letzten Jahren aufgefallen, daß deren
zeitgemäße Entsprechungen, wenn man das so sehen will, ganz anders daher kommen. Die
Nachfahren er Bohemniens haben Kinder, denen sie nicht den Rücken zuwenden, zugleich
durchaus Momente eines "wilden Lebens", ohne diese Attitüde des
"Antibürgerlichen".
Weshalb mag das so sein? Vielleicht weil uns aufgehen
mußte, daß diese "damaligen" Attitüden heute etwas komisch sind. Denn von so
manchen Künsten ausgehend, über die Russische Avantgarde, von deren Konsequenzen, über
die "Antikunst", weiter zu so manchen "neuen" Künsten, ist eines
nicht vom Tisch zu wischen:
Das hat sein Blühen, seine Marktchancen und
sehr viele seiner Möglichkeiten genau deshalb, weil ein gut situtiertes und an Kunst
interessiertes Bürgertum sein Geld in diese Kunstformen gesteckt hat ... und es noch tut.
Diese Gelder kursieren und sind für Kunstschaffende an
verschiedenen Positionen zwischen "Marktfähigkeit", staatlicher Förderung und
Dienstleistung lukrierbar. Eine mögliche Alternative dazu liegt vermutlich bestenfalls in
"mönchischen Konzepten", also in Weltabgewandtheit. Man kann sich zu einem
höchst bescheidenen Leben in eine Klause zurückziehen, man kann in seiner
künstlerischen Praxis auch zum Hungerkünstler werden oder gar verhungern.
Märtyrer? Rebell? Das sind Heiligenlegenden und
Räubergeschichten. Ob man darin eine Position in der Kunst, auf der Höhe der Zeit,
darstellen kann, bezweifle ich.
Was bedeutet das bezogen auf die Gleisdorfer Quotendebatte? Das
bedeutet, ganz nüchtern betrachtet, daß ich als Künstler mit anderen Kunstschaffenden
und mit diversen Medienprofis gleichermaßen um die verfügbaren Mittel renne, mit denen
meine Arbeit und mein Verdienst gesichert werden.
Ich werde vorzugsweise in zwei Währungen
bezahlt, die gegenseitig konvertierbar sind:
Geld und Aufmerksamkeit.
Über diese ökonomischen und sozialen Aspekte betrachtet
wird dann auch klar: "Wir" sind selbstverständlich NICHT "die
Künstler", die dann überdies von "den Medienleuten" beachtet oder
ignoriert werden, sondern wir stehen ALLE, soweit wir uns einer Öffentlichkeit zuwenden,
potenziell in Konkurrenz zu einander. In Konkurrenz um Geld und Aufmerksamkeit.
Erst ab dieser Klarheit tut sich nach meiner Einschätzung
die Möglichkeit zu Synergien und Kooperationen auf. Genau vor diesem Hintergrund wird
erahnbar, was diese Mitternachtseinlagen alkoholschwangerer Parties, dieses sich Gerieren
als "Individualist", als "Einzelkämpfer", als
"Nonkonformist" oder gar als "Rebell", was also solche Attitüden
taugen, jenseits derer man ja tatsächlich manchmal ziemlich unkonventionellen Freaks
begegnet. Selten. Sehr selten. Als gerade einmal eine von vielen möglichen
Erscheinungsformen auf dem Kunstfeld.
Genau deshalb sind mir unaufgeregte Professionals viel
lieber, als zu Bildung gelangte Proleten, nämlich: Leute meiner Herkunft, die sich dem
Kleinbürgertum als "Bürgerschreck" und Inspirationsquelle andienen.
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