3. Juni 2008 Es dürfte
sich herumgesprochen haben: Man sollte mit dem Wünschen vorsichtig sein, denn die
Wünsche könnten in Erfüllung gehn. Ich erinnere mich sehr gut an jene Jahre vor so
vielen Jahren, in denen für mich und meine Leute eine Frage klar war. Nämlich
die, worauf es im Leben ankäme. Antwort: "Den Blues haben."
Was freilich ein recht drolliges Lebenskonzept ist, wenn
man, wir Kinder der Nazi-Brut!, eine Annahme von einem Lebensgefühl aufsaugt, die wir aus
einer Musik aus einem extrem anders gelagerten Kontext bezogen haben.
Ich war ein junger Schnösel, fühlte mich unzerstörbar,
war das auch ein Weilchen, lotete aus, was das für einen in den 50ern geborenen Steirer
bedeuten könnte: "Den Blues haben." Mein Schicksal hat mich in der Sache nicht
enttäuscht. Es wurde aber in einigen Abschnitten anstrengender als ich gedacht hätte.
Nun also, sonntags in Leibnitz: "Knocking On Heavens
Door". (Siehe den gestrigen Eintrag!) Mirjana Selakov hat dieses Foto
vom Finale mitgebracht. Die S.
zeigte mir offenbar gerade den Ausgang und erzählte mir später grinsend, wir zwei
hätten schon einmal so einen "backing vocals"-Einlage geliefert. Genau! Vor
ungefähr hundert Jahren. Beim "first waltz" im Grazer Augartenkino.
Sie hatte mir außerdem eine DVD mitgebracht, auf der ein
Video davon zu sehen ist, das Schlagzeuger Sigi Ritter aufbewahrt hat. Hier also
"Honky Tonk"-Irene, rechts von ihr Leo Kysela. Das dürfte 1986 gewesen sein;
ich hatte im November 85 im Augartenkino die große Literaturnacht über die Bühne
gebracht.
Links Kysela, rechts ich selbst in einer damals viel
moderateren Konfektionsgröße. Reminiszenzen. Bilder von einem anderen Planeten. Oder
doch nicht so sehr? Hier noch ein paar Motive aus diesem Video: [link] Alles bloß Sentimentalitäten? Keineswegs! Ich bin mit Sir Oliver an diesem Sonntag
übereingekommen, daß wir wieder ein wenig im Blues unterwegs sein werden.
Cut!
Eine andere Notiz von jenem Sonntag:
"Als ich hingekommen bin, ist es zuerst einmal
darum gegangen, daß sie aufhören, auf einander zu schießen und daß wir wieder mit
einander reden können."
Hans Tomaschitz war der erste KFOR-Kommandant im Kosovo; zu
einer Zeit, wo die Konfrontation zwischen albanischen und serbischen Kräften dort einen
Stand der Eskalation hatte, den wir, aus großer Entfernung, medial an uns vermittelt,
längst vergessen haben:
>>20/21 07 99: Oberstleutnant Hans Tomaschitz, der
für das österreichische KFOR-Bataillon vorgesehene Kommandant, trifft im Einsatzraum (in
Prizren) ein und nimmt Verbindung mit der deutschen Brigade auf. ...<< [Quelle]
Eine Begegnung, die mir eine Ahnung gibt, wie enorm groß
die Diskrepanz sein mag, entweder auf kultureller Ebene Weichen zu stellen -- für oder
gegen die Menschenverachtung -- oder dann vor Ort Lösungen finden zu müssen, wenn die
Konflikte hoch gegangen sind.
Was nach dem Bannen der Gewalttätigkeiten vor allem solche
Seiten hat, daß etwa der Winter naht und von zirka 70.000 Menschen nur rund 50.000
überhaupt sich in einen Raum zurückziehen können, der eventuell beheizbar ist.
Bloß einige Details, hier aus den Zusammenhängen
gerissen, flüchtige Notizen, die mir einen Eindruck gemacht haben, daß wir es sehr
bequem haben mit dem Urteilen und Aufwiegeln, mit dem Abwerten und Beleidigen, mit dem
Sich-über-andere-erheben; wenn es aber so weit gediehen ist, daß plötzlich
Bevölkerungsteile über einander herfallen, was ja im 20. Jahrhundert immer mit einem
"Krieg der Worte" begann, mit einem Aufwiegeln und Abwerten, sind schnell
Situationen geschaffen, in denen eine ganze Generation von Menschen begraben wird.
Es wäre wohl klug, öfter mit Menschen zu
sprechen, die real dort waren; an solchen Orten.
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