3. Juni 2008

Es dürfte sich herumgesprochen haben: Man sollte mit dem Wünschen vorsichtig sein, denn die Wünsche könnten in Erfüllung gehn. Ich erinnere mich sehr gut an jene Jahre vor so vielen Jahren, in denen für mich und meine Leute eine Frage klar war. Nämlich die, worauf es im Leben ankäme. Antwort: "Den Blues haben."

Was freilich ein recht drolliges Lebenskonzept ist, wenn man, wir Kinder der Nazi-Brut!, eine Annahme von einem Lebensgefühl aufsaugt, die wir aus einer Musik aus einem extrem anders gelagerten Kontext bezogen haben.

Ich war ein junger Schnösel, fühlte mich unzerstörbar, war das auch ein Weilchen, lotete aus, was das für einen in den 50ern geborenen Steirer bedeuten könnte: "Den Blues haben." Mein Schicksal hat mich in der Sache nicht enttäuscht. Es wurde aber in einigen Abschnitten anstrengender als ich gedacht hätte.

log1136b.jpg (29279 Byte)

Nun also, sonntags in Leibnitz: "Knocking On Heavens Door". (Siehe den gestrigen Eintrag!) Mirjana Selakov hat dieses Foto vom Finale mitgebracht. Die S. zeigte mir offenbar gerade den Ausgang und erzählte mir später grinsend, wir zwei hätten schon einmal so einen "backing vocals"-Einlage geliefert. Genau! Vor ungefähr hundert Jahren. Beim "first waltz" im Grazer Augartenkino.

log1136b.jpg (19873 Byte)

Sie hatte mir außerdem eine DVD mitgebracht, auf der ein Video davon zu sehen ist, das Schlagzeuger Sigi Ritter aufbewahrt hat. Hier also "Honky Tonk"-Irene, rechts von ihr Leo Kysela. Das dürfte 1986 gewesen sein; ich hatte im November 85 im Augartenkino die große Literaturnacht über die Bühne gebracht.

log1136c.jpg (20224 Byte)

Links Kysela, rechts ich selbst in einer damals viel moderateren Konfektionsgröße. Reminiszenzen. Bilder von einem anderen Planeten. Oder doch nicht so sehr? Hier noch ein paar Motive aus diesem Video: [link] Alles bloß Sentimentalitäten? Keineswegs! Ich bin mit Sir Oliver an diesem Sonntag übereingekommen, daß wir wieder ein wenig im Blues unterwegs sein werden.

Cut!

Eine andere Notiz von jenem Sonntag:
"Als ich hingekommen bin, ist es zuerst einmal darum gegangen, daß sie aufhören, auf einander zu schießen und daß wir wieder mit einander reden können."

log1136g.jpg (31651 Byte)

Hans Tomaschitz war der erste KFOR-Kommandant im Kosovo; zu einer Zeit, wo die Konfrontation zwischen albanischen und serbischen Kräften dort einen Stand der Eskalation hatte, den wir, aus großer Entfernung, medial an uns vermittelt, längst vergessen haben:

>>20/21 07 99: Oberstleutnant Hans Tomaschitz, der für das österreichische KFOR-Bataillon vorgesehene Kommandant, trifft im Einsatzraum (in Prizren) ein und nimmt Verbindung mit der deutschen Brigade auf. ...<< [Quelle]

Eine Begegnung, die mir eine Ahnung gibt, wie enorm groß die Diskrepanz sein mag, entweder auf kultureller Ebene Weichen zu stellen -- für oder gegen die Menschenverachtung -- oder dann vor Ort Lösungen finden zu müssen, wenn die Konflikte hoch gegangen sind.

Was nach dem Bannen der Gewalttätigkeiten vor allem solche Seiten hat, daß etwa der Winter naht und von zirka 70.000 Menschen nur rund 50.000 überhaupt sich in einen Raum zurückziehen können, der eventuell beheizbar ist.

Bloß einige Details, hier aus den Zusammenhängen gerissen, flüchtige Notizen, die mir einen Eindruck gemacht haben, daß wir es sehr bequem haben mit dem Urteilen und Aufwiegeln, mit dem Abwerten und Beleidigen, mit dem Sich-über-andere-erheben; wenn es aber so weit gediehen ist, daß plötzlich Bevölkerungsteile über einander herfallen, was ja im 20. Jahrhundert immer mit einem "Krieg der Worte" begann, mit einem Aufwiegeln und Abwerten, sind schnell Situationen geschaffen, in denen eine ganze Generation von Menschen begraben wird.

Es wäre wohl klug, öfter mit Menschen zu sprechen, die real dort waren; an solchen Orten.


[kontakt] [reset] [krusche]

23•08