6. Mai 2008

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Karaoke als Realitätsprinzip. Das ist eine interessante Option. Der hohle Klang als bessere Ausstattung. Es ist vermutlich meinem Beruf anzurechnen, daß ich in kindischer Art darauf bestehe, was gesagt, was in Sätzen formuliert wird, sollte befragbar sein. Dabei sind natürlich nicht immer "Rationalitäten" lukrierbar. Dafür sorgt allein schon die Poesie. Aber wenn es bloß hohl klingt, stört mich das erheblich.

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Ein Alltagsbeispiel:
Was besagt nun eine solche Botschaft, wenn man davon ausgehen darf, daß wir Menschen die einzige uns bekannte Spezies ergeben, die ihr Leben mit Mobiliar ausstattet? So gesehen müßte eigentlich die Aufschrift "Möbel" auf diesem Trailer völlig genügen. Aber im Raunen und Flüstern will Bedeutung aufgebaut werden.

Diese Formulierung "Möbel für Menschen" suggeriert freilich, es sei dies ein Besonderes, weil es ja auch noch "Schrott für Unmenschen" geben könne. Das Inszenieren von solchen "General- Befindlichkeiten", diese Art von tückischem "Menscheln", ist längst nicht mehr bloß eine Domäne der Werbebranche. Ich finde das heute auch auf dem Kunstfeld. Karaoke als Realitätsprinzip. Dagegen läßt sich freilich allerhand unternehmen.

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Zum Beispiel durch das lebhafte Unterwegssein, das Durchmessen von Räumen, die durch zweierlei zu öffentlichen, also politischen Räumen werden: Leibliche Anwesenheit und kritische Diskurse.

Sie ahnen, dieses Kriterienpaket bewertet den "Cyberspace" ganz unmißverständlich. Nämlich als NACHRANGIG gegenüber jenen physischen (statt logischen) Räumen, in denen reale sozialen Begegnung möglich ist. Wie hier, als wir in jenem etwas derangierten Transporter auf dem Heimweg von Serbien waren. Künstler ILA hatte in einer fast menschenleeren Gaststätte unter einem schweren Regenhimmel eine kleine Debatte mit Kunsthistorikerin Mirjana Selakov.

Diese Miniatur wird heute Nacht auf "radio helsinki" ausgestrahlt; als Teil von Jörg Vogeltanz' "nekrolog". (Morgen kann die Sound-Datei vom Server heruntergeladen werden.)

Cut!

Ich habe gestern angedeutet, das selbstverständliche Verfügen über Frauen schaffe wesentliche Rahmenbedingungen für so manche Brutalität, die sich eben auch in Verbrechen ausdrücke. Wenn in der Politik nun höhere Strafen für Sexualdelikte gefordert werden, sind das billige Schreckreaktionen, mit denen man sich dem Boulevard anbiedert. Eben: Karaoke!

Die eigentlich brisanten Aspekte bleiben davon verdeckt. Das "Blut des Barock", die Konsequenzen der Gegenreformation, bieten ein kulturelles Fundament für solche Befindlichkeiten.

Wie zur Illustration konnte man gestern in den Tageszeitungen über folgenden Tathergang lesen, der freilich keine vergleichbaren Schlagzeilen nach sich zog: Ein Mann zerrt seine Lebensgefährtin, die fast nackt ist, nur mit einem Slip bekleidet, in den ersten Stock eines Hauses, prügelt sie und wirft sie anschließend aus dem Obergeschoß in den Hof, läßt sie da, schwer verletzt, eine halbe Stunde liegen, bis er ihr Hilfe holt.

Eine andere Geschichte von gestern zeigt einen zertrümmerten Wagen. Der Mann hatte seine Ex-Ehefrau in eine Falle gelockt, getötet, in einer gefüllten Badewanne abgelegt, sich danach in seinem Auto den Sicherheitsgurt um den Hals gelegt und die ganze Fuhre mit hoher Geschwindigkeit gegen eine Betonwand gestellt.

Es ist verlockend anzunehmen, diese Burschen seien Monster. Dabei sind sie bloß legitime Botschafter dieser vorherrschenden Männerkultur. Verzweifelte Kerle, die nicht von ausreichend kulturelle Bindungen abgehalten wurden, ihre Überheblichkeit mit Gewalt durchzusetzen.

Sowas soll mit mehr Wachpersonal, mehr Kameras und höheren Strafen eingedämmt werden? Blödsinn! Das ist ein kulturelles Problem. Es läßt sich nicht mit einer Anhebung technischer und legistischer Mittel lösen, sondern eben ... mit kulturellen Mitteln. Es ist eine Frage des Ethos.

Ich hab gestern geschrieben:
>>Wenn als zivilisatorischer Grundsatz gilt, nicht Rache zu üben, sondern Recht zu sprechen, dann würde ich doch gerne fragen: Warum MUSS das so kommen? Ich bitte um zweckdienliche Hinweise.<< [Quelle]

Graphic Novelist Jörg Vogeltanz antwortete:

>>gern: abgesehen davon, dass wir in österreich auf basis des römischen rechts agieren, das eigentum höher als leib und leben einstuft... ich glaube, bei der forderung nach diesbezüglichem umdenken geht es nicht um rachegedanken (bei vielen natürlich schon), aber es dürfte sich eben gerade aus zivilisationsevolutionären erwägungen herauskristallisiert haben, dass materieller besitz "toter" gegenstände (gut, die quantenphysik lehrt uns diesbezüglich differenzierung :-)) als niedriger zu bewerten sei als das leben und die gesundheit eines lebe(!)wesens, da, um es ein wenig romantisch zu deuten, jedes individuum unendliche entwicklungsmöglichkeiten hat, die niemand das recht hat einzuschränken.

daher ist es natürlich klar, dass, wenn das leben einer person gewaltsam beendet wird oder deren möglichkeiten, sich (positiv?) zu entwickeln, gewaltsam minimiert werden, der dafür verantwortliche in höherem masse zur verantwortung gezogen werden sollte... wobei ich das konzept "strafe" ja generell ablehne...

daher spreche ich auch von verantwortung: ein "täter" sollte in einer tatsächlich zivilisierten sozietät ausschließlich seiner verantwortung bewusst gemacht werden, am besten durch konfrontation mit den konsequenzen seiner tat für alle beteiligten. gewaltverbrechen, so sie nicht aus psychologischem ungleichgewicht oder akuten notsituationen entstehen, werden meist in ignoranz der folgen für die opfer und fokussierung aufs eigene ego getätigt.

hier muss die justiz ansetzen; strafen um der strafe willen sind generell abzulehnen. und strafen für die entwendung von eigentum sind ohnehin absurd: hier sollte ausschliesslich mit wiedergutmachung gearbeitet werden, nicht mit kriminalisierung.<<


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