1. Mai 2008 Das
zweiwöchige Festival "pomale" ist nun gelaufen. Der Eintrag vom 25. April bezieht sich auf Erörterungen über die Kunst
mit dem Philosophen Erwin Fiala. (Am 29. April
hab ich einige Motive davon aufgegriffen.)
Dem folgte nun ein informelles Treffen mit Dieter Spath im
"zeit_raum". Spath ist der künstlerische Leiter der "regionale 08", mit der
Landeskulturreferent Kurt Flecker den Veranstaltungstypus "Landesausstellung"
abgelöst hat. Damit besteht ein Fokus auf mögliche Agenda im Bereich der Gegenwartskunst
in Verbindungen mit jenen Veränderungsschüben, die vertraute Gefüge aufbrechen, welche
wir nach wie vor in Denkmodellen des 19. Jahrhunderts zu sehen und zu beschreiben
belieben. ("Zentrum/Provinz")
Ein möglicher Schnittpunkt von Kunst, Kultur und Sozialem
liegt in der stets neuen Klärung, wie sich das Subjektive zum größeren Ganzen verhalten
kann und soll. Auf dem Kunstfeld haben wir mit einem "anything goes!" einige
Malheurs produziert. Das gnadenlos Subjektive ist eine stolze Position. Aber hält sie
gegenwärtig stand? Und falls ja: Wozu?
Von links: Philosoph Erwin Fiala, Gleisdorfs Kulturreferent
Hannes Felgitsch und Künstler Walter Köstenbauer. Inhaltsarbeit und Diskurse werden bei
uns inzwischen als unverzichtbare Ebene des Kunstgeschehens gepflegt. Das hat man auch bei
Politik und Verwaltung in der Stadt längst ernst zu nehmenbegonnen. (Köstenbauer
bereitet gerade einen größeren Akzent in der Sache vor: [link])
Das Stolze und das Subjektive. Fiala betont, man könne
Subjektivität nicht vermitteln: Sie kappt das Band der Kommunikation. Wer
aber nur mit sich selbst kommuniziert, stellt sich an, unter dem Begriff
Autismus geführt zu werden. Fiala schlägt vor, Kunst ganz banal als
Gestaltungs- und Entwicklungsprozeß zu sehen. Das handelt von Kommunikation und von
Abläufen. Folglich ist Zeit darin eine relevante Größe. Aber was wissen wir über
Zeitfluß? Darüber wird noch zu debattieren sein. (Siehe dazu auch Eintrag #70 --
"Alles Karajan!" und "Es bellen die Rebellen" -- im Logbuch von
"next code".)
Moderate Debatten in solchen Zusammenhängen gab es gestern
in Gleisdorf bei einer Vernissage zu Arbeiten des Malers Josef Taucher. Hier von links der
Künstler Walter Kratner, der Kulturkritiker Walter Titz und die Kunsthistorikerin Mirjana
Selakov.
Weniger moderat hatte ich es knapp davor mit dem Maler
Taucher selbst, der sich das Kunstfeld offenbar als soziokulturelles Kuschelecke träumt
und längst auf breiten Konsens rechnen darf, daß der Künstler für Momente eine höchst
exponierte Position einnehmen solle, in der er von Konventionen suspendiert ist. Was für
ein Unfug, wenn sowas als "Einbahnsystem" begriffen wird! Taucher wußte über
"gängige Kunst" zu räsonieren, die mindestens auf dem Markt einen langen
Schatten werfe, was sein Nachteil sei. Denn: "Seit über 15 Jahren bin ich der Depp,
weil ich gegenständliche Bilder male."
Was für ein Opfergang! Was für eine Kasteiung! Auf meine
Frage, was genau denn das sei, "gängige Kunst", wurde mir erst beschieden, daß
ich wohl einer sei, der sich über Kunst was in Büchern angelesen habe, dann bekam
Kandinsky sein Fett weg, im Anschluß ein guter Teilt der Kunst des 20. Jahrhunderts.
Also Selbstdefinition durch Feindmarkierung, Diskursverbot,
das gesamte Publikum, dem Taucher zugerufen hatte: "Fragt's mich was!", zur
Komparserie abgestellt. Ein weinerlicher alter Mann, dem mindestens die Einsicht fehlt,
seine Malerei an den beeindruckenden, teils riesigen Bergbildern, sei ja wenigstens eine
prima Alternative dazu, beispielsweise sein Leben im Gleisdorfer GEZ an einer
Supermarktkasse zu versitzen oder unten bei Binder & Co mehrere Jahre lang 20
Zentimeter dicke Stahlplatten zu schneiden. (Siehe dazu "Accompany
#5"!) Wo ist, wo bleibt da unser Künstler-Selbstbewußtsein als
Reflexionsviecher, als Teil einer Deutungselite, ohne die weder diese Gesellschaft noch
diese Welt angeblich könne?
Von ganz anderer Natur war meine Plauderei mit dem
Theologen Fery Berger (links, verantwortlich für die "Pfingstvision") und Herbert
Nichols, dem kulturpolitischen Sekretär des Landeskulturreferenten. Weil ja außerhalb
gut geheizter Reservate, darin waren wir uns einig, die Welt gerade in mächtigen Schüben
ungemütlicher werde. Das hat mit politischen und ökonomischen Verhaltensoriginalitäten
zu tun, die wir bei verschiedenen Eliten ausmachen.
Wie man es auch dreht, da ist nun meine Generation in der
Pflicht: Wir haben der Tyrannis die Tür ein Stück weit aufgemacht. Höchste Zeit zu
sehen, wie wir sie wieder zukriegen. Das kann Leuten wie uns überhaupt nur dann gelingen,
wenn wir den öffentlichen Raum als politischen Raum (zurück-) fordern und sichern. Dazu
gehören unverzichtbar öffentliche, kritische Diskurse. Damit fangen wir, wie mir
scheint, am besten bei uns selber an ...
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