27. März 2008

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Pizza bei Gül. Wenn er von seiner Heimat erzählt, ahne ich, wie unendlich groß dieses Land ist. Das verliert man leicht aus den Augen. Solche Dimensionen. Wann immer ich mit Kurden spreche, liegt dieses Unverständis so schwer da, warum Sprache und Kultur eines Millionenvolkes als derart bedrohlich empfunden werden, daß daraus so harte Repressalien erfolgen, wie sie türkische Kurden kennen.

Volk. Ethnos. Es liegt ganz offenbar noch sehr viel Arbeit vor uns, neu zu klären, was wir damit meinen und welche politischen Implikationen sich daraus ergeben. In der Sache haben auch Österreichs "Vaterländische" sich wieder sehr stark in Kategorien des 19. Jahrhunderts verzogen.

Daß die Christlichsozialen da mitgehen, überrascht mich nicht. Was ihr Maskottchen Otto Habsburg dazu neulich geleistet hat, spricht Bände. (Siehe dazu den Eintrag vom 15. März!)

Wo aber die Sozialdemokraten in solchen Fragen heute gelandet sind, verblüfft mich erheblich, denn deren Gründungsmomente in Hainfeld liegen nicht gar so lange zurück; die Jahreswende von 1888 auf 1889. Zu eben dieser Zeit wußte man sehr genau, welche enormen Gefahren in den sich aufschwingenden Nationalismen liegen.

Cut!

John Huston hat mit "Der Schatz der Sierra Madre" eine atemberaubende Geschichte über ethische Kurvenlagen der Menschen inszeniert. Die Ausgangslage korrespondiert mit Clouzots "Lohn der Angst", doch Humphrey Bogart führt einen sehr viel schäbigeren Charakter vor als Yves Montand.

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"Wir sind alle Goldstaub!" schrieb mir Michael Roloff, als ich Hustons Film erwähnt hatte. Die in Mexico angesiedelte Geschichte ließ mich daran denken, daß es möglicherweise eine erhebliche Deckung bei den Stereotypen und Klischees gibt, wo die Beziehungen "Balkan und Westeuropa" sowie "Mexico und die USA" dargestellt werden. Nord-Süd-Relationen und -Phantasmen.

Da mir in unseren Korrespondenzen aufgefallen war, daß Roloff anscheinend eine warmherzige Beziehung zu Mexico habe, schlug ich ihm vor, solche Bilder zu überprüfen. Denn was mich bei "next code: divan" beschäftigt, hat ja vielleicht solche Dimensionen, daß es Muster zeigt, die wir auch ganz wo anders feststellen können. Roloff schrieb mir:

>>Mexico suited me and may suit me again because it still has that really wild side which scarcely exists at all in Europe any longer, perhaps in certain stretches of the Balkans ...<<

Wir werden uns das also noch genauer ansehen ...

Cut!

Das Thema Kosovo und Metohia ist sehr schnell wieder aus den Headlines verschwunden. Gut? Schlecht? Als ginge uns das alles eigentlich nichts an. Als wäre es unnötig, an stichhaltigen Ansichten zu arbeiten, was da in "unserem Süden" vorgeht.

Ich meine mit "unserem Süden" keine "besitzanzeigende" Deutung, sondern eine Position, in der eine Art von Verantwortungsgefühl erreichbar wird, wo uns angeht und betrifft, was da geschieht. Solange wir uns im wohlhabenden Norden die Anmaßung leisten, diese Region als eine Art "dreckigen Hinterhof" Europas zu verstehen, den man eigentlich abschreiben möchte, steht den USA nichts im Wege, das Kosovo als Militärbasis, Bordell und Umschlagplatz für Waren aller Art auszubauen.

Michael Roloff hat mir einen Link geschickt, unter dem man einen sehr aufschlußreichen Text des kroatischen Autors Bora Cosic findet, "The Albanians and I", in dem es heißt:

>>I don’t think they attended our schools. It was as if the Albanians living in Belgrade had never been children, but had come into the world as grown-up men with saws in their hands, after which they promptly went round in search of work. But we liked visiting ‘The Acrobat’s pastry shop, full of quick dark-haired men who filled cones with wonderful ice cream. I asked my mother whether they were the same people who sawed logs in our houses, and she said: ‘Well, almost!’<< [Quelle]

Von einem anderen Autor, Simo Mraovic, findet man auf einer schwedischen Website folgendes Zitat:

>>Wer hat auf dich geschossen? -- fragte ich von neuem und konnte nicht fassen, dass irgendjemand auf Oma schießen konnte. -- Die Ustascha -- sagte sie. -- Welche Ustascha? Wer sind die? -- Das sind die Kroaten, die nicht lieb sind, mein Kind. -- Aber wir sind doch auch Kroaten -- flüstere ich Oma zu. -- Nein, mein Kind, wir sind Serben -- flüsterte sie zurück. Ich fühlte mich wie vom Holzhammer getroffen. Dabei war ich doch gerade froh, Kroate zu sein. -- und jetzt so was. Am nächsten Morgen sah ich durchs Fenster, und alles war nicht mehr schwarz-weiß, sondern um einiges komplizierter.<< [Quelle]

(Ustaše meint kroatische Kampfverbände, die im Zweiten Weltkrieg mit den Nazi kollaboriert haben. Cetnici meint ursprünlich royalistische Milizen Serbiens. Beide Gruppierungen sind im Sezessionskrieg der 1990er wieder in Erscheinung getreten beziehungsweise neu inszeniert worden.)

[Der "Balkan-Reflex"]


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