9. Jänner 2008
Ein anderes Motiv aus den Gassen von Graz. Und
dieses umwerfende Versprechen eines Kaffeerösters: "Jede Woche eine neue Welt"
ist wahrlich ein großartiges Angebot für uns Habenichtse.
Cut!
Interessante Wendungen in Sachen Handke. Rund
um die Neuerscheinung "Die morawische Nacht" wird dem Autor allerhand Referenz
erwiesen. Bemerkenswert finde ich Details wie Werner Krauses Feststellung in der "Kleinen Zeitung", das Buch
"Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder
Gerechtigkeit für Serbien" (1996) sei "umstritten", sei "oft
missverstanden".
Was heißt "mißverstanden"? Wenn
etwa der Chef von Krause, Frido Hütter, im Sommer 2005 schrieb, dies sei ein
"sehnsüchtig-ungerechtes Sprachwerk" (siehe Eintrag vom 29. Juni 05!), wenn dieses Buch, wie andere
Bücher, über Jahre mit heftigen Unterstellungen befrachtet wurde, ist
"mißverstanden" wohl kein hinreichender Begriff.
[Zu
Peter Handke]
Cut!
Eine interessante Headline in "Der Standard". Da sich einfach
nicht klar festlegen läßt, was "Das Türkentum" genau sein soll, war das ein
sehr problematisches Gesetz. Europa pur. Dieser ethnisch gedeutete Nationalismus. Einer
der größten Fehlschläge unserer Kulturgeschichte, auf dem Ausweg aus der Feudalzeit aus
Imperien Nationen zu machen, die kulturell-ethnisch definiert wurden, statt bloß
politisch.
Wir finden Entsprechungen ja auch bei uns.
Deutschtümelei. Vaterländische Österreicherei. immer dieser Raunen des
"Ethnischen" dabei.
Immerhin hat sich die Türkei noch einen
strafbaren Tatbestand in der "Beleidigung der türkischen Nation" vorbehalten.
Die Urenkel der Rebellen mögen eben für sich ein Konzept der
"Majestätsbeleidigung" aufrecht erhalten. Naja, auch hierzulande darf man sich
weder mit der Bundeshymne noch der Fahne der Republik Unartigkeiten erlauben. Das kann mit
Strafen geahndet werden.
Ich mag annehmen, das hat schon seinen Nutzen,
wenn eine Gemeinschaft sich unter anderem über Symbole ausdrückt. Aber es muß möglich
sein, den Fehlschlag unserer Kulturgeschichte zu relativieren: Eine politisch verstandene
Nation definiert sich eben nicht über Sprache und Kultur. Sie definiert sich über
Modalitäten der Zugehörigkeit, über einen Katalog der Rechte und Pflichten. Wer dem
entspricht, gehört dazu, was keine Frage der kulturellen Prägung zu sein hat.
Cut!
Ein Maler schlägt zurück. Der Arik
Brauer-Schüler Gottfried Pengg-Auheim hat sich in der "Kronen Zeitung" gegen eine Kritik
gewehrt, die ihm sinngemäß mindestens unterstellt, er sei als Künstler nicht in der
Gegenwart angekommen.
Die Sache ist interessant, weil sie
exemplarisch illustriert, was im Alltag gerne schief läuft, wenn Kunst zur Debatte steht. Pengg-Auheim stellt sich als jemand heraus, dem "Schönheit und
Verstehbarkeit in der Kunst" wichtig sind. Womit er implizit sagt: "Das
Häßliche und Unverständliche der Gegenwartskunst ist mir zuwider."
Damit begeht der Mann, dessen Arbeit ja in der Tat ehr
antiquiert daher kommt [link],
mindestens einen gravierenden Denkfehler, vermutlich auch eine sehr populäre
Unredlichkeit.
Wenn er "Schönheit und Verstehbarkeit"
reklamiert und betont, stützt er sich auf Konventionen, die aus Jahrhunderten
ästhetischer Erfahrungen hervorgehen.
Ich meine damit etwas, das man "Leonardo- Falle"
nennen könnte. Es fällt uns heute leicht, Werke des Leonardo daVinci für schön und
verstehbar zu halten. Obwohl seine stilistischen Innovationen einen Zeitgenossen Giottos
vermutlich, wenn man ihn per Zeitmaschine verfrachten könnte, ziemlich erschrecken
würden. |
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Wer denkt, er könne Leonardos Gemälde
VERSTEHEN, ohne sich intensiv mit der Zeit, den Werken und den damaligen Konventionen
befaßt zu haben, irrt gewaltig. Ohne Vorkenntnisse kann man sie bestenfalls spontan als
schön oder ansehnlich empfinden. Aber ein Verstehen geht sich nicht aus. Denn damals
herrschten visuelle Codes, die heute eigentlich nur Fachleuten geläufig sind.
Was bedeutet diese oder jene Pflanze im Bild, was ein
bestimmtes Tier? Was bedeutet dieses Lächeln, jene Haltung der Hand oder diese
Fingerstellung? Die Bilder sind voller Symbole, die ergo nicht beliebig eingesetzt werden
konnten. Leonardos Gemälde sind eben nicht "verstehbar", wenn man sich nicht
näher damit befaßt hat.
So ist es auch heute, ist es auch mit jener angeblich
"unschönen" und "unverstehbaren" Gegenwartskunst, gegenüber der sich
Pengg-Auheim abzugrenzen versucht ... um sich einem konservativen Klientel anzudienen.
Wenn man die Codes nicht kennt, wenn man die ästhetischen Erfahrungen nicht gemacht hat
und sein Sehen nicht geschult hat, wenn man also sich für Gegenwartskunst eher nicht
interessiert hat, bleibt einem vieles davon unverständlich.
Und das möchte man dann den Werken
vorwerfen? Lustig!
P.S.: Unter Kunstschaffenden Österreichs
kursiert der unscharfe Begriff "Selbstausbeutung". In der "transit zone
#24" [link]
hat der Autor Helmut Schranz eine sehr anregende Deutung dieses Begriffs vorgenommen.
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