29. November 2007
Man könnte es für einen riesigen
Adventkalender halten. Und Türchen #23 ist sicher eines der gefragtesten. Noch hält sich
das Geplärre via Lautsprecher in Grenzen. Bald wird sich die "stillste Zeit des
Jahres" wieder mit entsprechendem Getöse einstellen. Die ganze Stadt entfaltet sich
zum Ramschladen. Momentan wird schon eine Menge "Mannzeit" bezahlt, um Häuser
und Bäume der Innenstadt mit elektrischen Lichterketten zu versehen.
An einem Weihnachtsbaum auf dem Hauptplatz ist
das ja noch gut nachvollziehbar. Ein komplett illuminiertes Stadtzentrum erscheint mir
dagegen eher als eine Mischung aus Träumen von Las Vegas und dem ostentativen Verbrennen
von Geld, wie es einst Art des Adels gewesen ist, an dem sich unsere Proletarier-Herzen
doch stets orientiert haben.
Cut!
Der Kreis von "kunst O.ST" gewinnt
Stabilität. Wir hatten vorgestern ein weiteres, breit besuchtes Treffen, um unsere
Vorhaben einen Schritt voranzubringen. (Siehe den Eintrag im
Projekt-Logbuch!)
Von links: Malerin Michaela
Knittelfelder-Lang, Kunsthistorikerin Mirjana Selakov,
Handwerker Peter Matzhold und Malerin Renate Krammer.
Vielleicht ist es ja akzeptabel, darin einen
Zusammenhang herzustellen. Nämlich die eingangs erwähnte Tendenz zu Plunder und
Festbeleuchtung als eine von mehreren möglichen Positionen, um leuchtende Augen zu
bekommen, die Befassung mit Kunst als eine ANDERE Position ... auf dem SELBEN Feld.
Beides handelt von Prozessen und Artefakten,
die wir nicht zur Bewältigung unseres Alltags brauchen, sondern zur Ausstattung unseres
Lebens in den Bereichen der Sinnstiftung. Beides handelt von Wahrnehmungsprozessen und von
Emotionen, also von ästhetischen Erfahrungen. Die Kunst und der Plunder rühren an die
selben menschlichen Möglichkeiten. Weshalb ich denke, daß es Unfug wäre, beides
gegeneinander auszuspielen.
Cut!
Diese Headline aus "Der Standard" illustriert weiter,
wie die vaterländischen Kräfte in Österreich ihr eigenes kulturelles Fundament
abzutragen versuchen. Denn wo man kulturgeschichtlich argumentiert, muß man feststellen:
Es gäbe dieses Europa ohne den Islam überhaupt nicht. Wie übrigens auch nicht ohne die
Orthodoxie, der gegenüber kaum mehr Wertschätzung festzustellen wäre. Und wo religiöse
Positionen Gewicht haben, sind seit einiger Zeit selbst die Evangelischen von hoher Stelle
auf der weströmischen Seite herabgesetzt worden.
Offenbar richtet sich hier jeder Schreihals
sein Europa zurecht, wie es gerade nützlich erscheint. Ich hab im vorigen Eintrag ein wenig illustriert, daß sich grundlegende Zutaten
"österreichischer Art", wie Kaffeegenuß und Apfeldstrudel, der islamischen
Kultur verdanken, daß es aber auch umgekehrt relevante Einflüsse gab. Dieses
Wechselspiel geht sehr tief und nur ein besinnungsloser Barbar kann einerseits diese
Früchte genießen, andrerseits ihre Quellen aus unserer Wahrnehmung zu löschen
versuchen.
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