16. November 2007
Einer der Beiträge zu "next code: flow"
stammt vom Dänen Christian Hillesoe. Das Banner ist auf dem Foto ganz links zu sehen und
beinhaltet ein Zitat von Alexander Rodtschenko. [Der genaue Wortlaut des Zitats ist HIER zu
lesen.] Es sei das Zitieren ein besonderes Merkmal der Postpostmoderne, heißt es. Mag
sein. Aber was mag uns bewegen, hier der Russischen Avantgarde Referenz zu erweisen?
Ich hab im Eintrag #51 des
Projektlogbuchs eben erst angemerkt, weite Bevölkerungskreise Österreichs seien in ihren
Vorlieben (die Kunst betreffend) noch nicht einmal recht im 20. Jahrhundert angekommen,
vom 21., unserer Gegenwart, ganz zu schweigen.
Im 20. Jahrhundert anzukommen handelt unter
anderem davon, den herausragenden Einfluß der Russischen Avantgarde auf die (westliche)
Kunstwelt wenigstens zu ahnen. Wo vor allem Malewitsch und seine Gefolgschaft mit dem
"Suprematismus"
wesentliche Grundlagen schufen, die Kunst auf zeitgemäße Art nicht bloß mit dem
Abbilden der Natur zu befassen.
Leute wie Malewitsch und Rodtschenko waren
ganz selbstverständlich einerseits aktive Künstler, andrerseits zugleich Forscher, was
meint, sie waren damit befaßt, die Bedingungen und Grundlagen ihres Tuns zu erforschen.
Ich hab vorgestern,
mit Verweis auf den Schmied Hephaistos, notiert: "Raus aus der Schmiede, rein in die
Vernissagen und ... rein in die Diskurse!" Es trägt interessante Früchte, wenn man
wenigstens die letzten hundert Jahre des historischen Hintergrundes der eigenen Profession
überprüft.
Ein Beispiel:
Es wurde als ungewöhnlich betrachtet und sogar von einigen Kunstschaffenden selbst als
problematisch betrachtet, daß ich bei "next code: love" darauf bestand,
"die Strecke" zu bespielen und nicht alle Beiträge in einer
"Galerie-Situation" zu zeigen. Man kann hier auf "The Track" gut
sehen, daß ich mich damit nur zum Teil durchgesetzt habe.
Wir wir eine "Galerie-Situation"
hatten, ist das Erdgeschoß
des vormaligen Pfarrschulhauses für unsere Station dazu gemacht worden. Ein passabler
Kompromiß.
Es ist also heute keineswegs
selbstverständlich, außerhalb von Museen, Galerien, jenseits ausgewiesener
"Kulturtempel" Gegenwartskunst zu zeigen ... möglichst mitten im alltäglichen
Lebensraum der Menschen.
Dabei gibt es Museen und Galerien noch gar
nicht so lange. Erst 1750 hatte etwa Frankreich seine erste Gemäldegalerie. Die war aber
bald wieder geschlossen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts begann man Kunstsammlungen für
den Pöbel, also für Leute wie mich, zu öffnen. Museen sind ebenso junge kulturelle
Einrichtungen. Davor war die Befassung mit Kunst fast ausschließlich adeligen Eliten
vorbehalten.
Das hat sich zumindest in Nischen geändert.
Und wenn künstlerische Praxis aus den Nischen herauskommt? Wenn Kunstschaffende sich
temporär Platz im öffentlichen Raum nehmen möchten? Ja, ja, schwierig, ich weiß. Kurz
zurück zur Russischen Avantgarde. In Petrograd, dem heutige Sankt Petersburg, war genau
das (Herauskommen aus den Nischen) an einem bestimmten Tag geschehen, das Datum ist
überliefert.
Der Versuch, Kunst auf die Straße zu bringen,
wurde am 15. März 1918 in den Fenstern eines Hauses Ecke Kusnezki-Most und
Neglinny-Passage mit drei Bildern von David Burljuk gemacht. Rund 90 Jahre ist das her.
Und heute sagen mir meine Leute: "Das ist schwierig." Na gut!
Aber halten wir doch fest: Ich muß auf
solchen Optionen bestehen. Mein Leben besteht nicht bloß aus dem Bewältigen des Alltags.
Ich mag auch niemandes Dienstbote sein. Dies, die Widmung der Kunst, ist meine Profession.
Künstlerische Praxis ist eine Form der Weltdeutung, die anderen Disziplinen, etwa der
Wissenschaft, dem Journalismus oder der Politik auf keinen Fall unterlegen ist. Obwohl mir
jeder halblustige Kaufmann zu erzählen bereit ist, daß sein Tun der Gesellschaft mehr
Nutzen bringe als meines. Blödsinn!
Das ist ein soziales Ränkespiel, wie einer
aus seinem Bezugssystem heraus dem anderen ausrichtet, sein Tun sei überflüssig, das
eigene wichtiger, wertvoller. Das kann man ewig so weiterspielen, eine Art "Stille
Post" auf sozialen Feldern, wo am Schluß keine Sau mehr weiß wo man und womit man
begonnen hat.
Als Proletarierkind, genauer: als Kind eines
heruntergekommenen Bürgertums in einer Linie und radikaler Aufsteiger, die bescheidenen
Verhältnissen dann doch nicht entkommen sind, in der anderen Linie, bestaune ich zwar
gelegentlich die Inszenierungen und Möglichkeiten quasi-aristokratischer Kreise. Aber
deren "noble Distanz" hält sie auch mir verläßlich vom Leibe, das paßt mir
so.
Und es muß diese oder jene Strecke, die sich
durch den Alltag der Menschen zieht, mein Bevorzugtes Ensemble von Orten sein, an denen
ich meine künstlerische Praxis festmachen will.
Cut!
Von Regina und Peder Kedl wäre noch zu erzählen. Die beiden hatten
gestern eine Vernissage im Gleisdorfer "Business
Park", welcher ein paar erstaunliche Seiten aufweist. Aber davon später ...
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