19. Juni 2007
Die Sommerhitze läßt mich gerne an den Herbst denken. Der
Rummel rund um die Programmpräsentation des Festivals "steirischer herbst"
entfaltet seine Wellen. Damit ist nun auch die aktuelle Website freigeschaltet, wo
alle Programmpunkte dargestellt sind.
Außerdem ist das
Programm natürlich in gedruckter Form erhältlich. Cut!
Post von Amirali Ghasemi aus Teheran, der das Postkarten-
Paket von "next code: in between" freilich nicht so ins Haus bekam, wie das
bei uns läuft:
>>... finally I've picked the post cards from the
post office becasue they'd kept it for review! I have a very interesting story about how I
could release the post cards from the Post office's customs i will write to you in a
while...<< |
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Ich bin gespannt, was das für eine
Geschichte sein wird. Ein anderes Geschichtchen ... die Bilderrahmen für "nobody want's to
be nobody" hatte ich mir von der "Kulturvermittlung Steiermark"
geliehen. Eine höchst erfreuliche Annehmlichkeit, denn man müßte einen Haufen Geld
binden, um sich vergleichbare Bestände privat zu leisten.
Beim Zurückbringen der Rahmen hab ich im Gang des Hauses
diese Signalvorrichtung entdeckt. Ohne sagen zu können warum, hab ich das Gefühl, so ein
Ding hätte ich auch gerne zuhause.
Cut!
Ich hab letztens kritisiert, daß der Autor
Wolfgang Pollanz zum Ausgang des Bewerbs um die "Regionale 2008" gemeint hat:
"Erst lässt man die Leute arbeiten, dann lässt man sie sterben." (Siehe
Eintrag vom 15. Juni!) Muß man Worte klauben,
wenn jemand aufgeregt ist?
Sprachregelungen sind immer auch Ausdruck von
Realitätsvorstellungen. Warum muß in unserem Land so dick aufgetragen werden, wenn es
Dissenz gibt? Mir kommen solche Dinge in der Wahrnehmung ständig mit "anderen
Realitäten" durcheinander. Genau an jenem Tag, vorigen Freitag, saß ich mittags am
Kebabstand von Mehmed, wo ich immer wieder mit Kurden ins Gespräch komme.
Diesmal war ein Trio merklich aufgeregt.
Natürlich verstand ich kein Wort. Ich hatte mich zu ihnen gesetzt. "Ihr sprecht
über Diyarbakir"? fragte ich. Sie nickten. Es war leicht zu erraten. Denn da hatte
es eben erst ein Bombenattentat gegeben. Außerdem war in den letzten Tagen die Rede davon
gewesen, daß die Türkei einen Einmarsch im Nordirak erwogen hat. Weil die Region um
Hewler und Kirkuk kurdisch dominiert ist, also Terrain der PKK.
Einer der Männer ("Wir sind 40 Millionen
und haben keine Rechte") sagte, er besitze "Erde in der Türkei. Aber was hilft
mir das, wenn ich sie nicht betreten darf?" Ich erinnere mich an frühere Gespräche.
Momente, wenn etwa die "Politika" aufgeschlagen auf dem Tisch lag und einer der
Männer, darüber gebeugt, den Tränen nahe schien. Da waren Fotos zu sehen: Tote,
halbnackt (Peschmerga? PKK?), über ihnen türkische Soldaten hockend, mit Gewehren und
Bierdosen in Händen. Jäger und ihre Strecke.
Heute heißt es von sachkundigen
Kommentatoren, die PKK sei geradezu stalinistisch gewesen, habe sich aber gewandelt. Einer
der Kurden beteuert, die Vorstellung, der Türkei drohe eine radikale Islamisierung, sei
bloß Propaganda derer, die ihre Macht nicht verlieren wollen. Was hatte mir Adnan in
Istanbul grinsend gesagt? "Of course they sit allways on the horse." Das habe
ich gehört: Es sei ein Problem, wenn das Militär Wächter der Demokratie ist.
Und Deniz hatte betont: "Ihr schlagt euch
mit der Immigration von außen herum. Wir haben eine Immigration von innen." Damit
meinte sie die extrem Konservativen, die vom Umland in die Metropolen drängen. (Na, wenn
bei uns die Rednecks morgen sagen dürften, wie alles zu laufen habe, wäre es hier auch
nicht gar so lustig.)
Es ist ein so großes Land mit so vielen
Völkern. Immer wieder höre ich: "Was heißt schon: Die Türken?" Das
reflektiert unsere eigenen Probleme, Ethnos und Nationalstaatlichkeit als verschiedene
Kategorien zu begreifen.
Der Orient. Was immer das sein mag. Dort wird
viel gestorben. Nicht auf die Pollanz'sche Art, so ein bißl metaphorisch. Nein. Physisch
und ganz irreversibel. Ich lese gerade über den Irak: "Wer nicht auswandert, flieht
nach innen." heißt es an einer Stelle im Buch "Café Bagdad" von Christoph
Reuter und Susanne Fischer. Das ist eine der ganz moderaten Textstellen. Reuter war mir
schon vertraut, weil er ein sehr anregendes Buch über Selbstmordattentäter geschrieben
hat. ("Mein Leben
ist eine Waffe")
Freilich gibt es unzählige Geschichten, die
dann verdeutlichen, woran die Klischees festgemacht sind. Manches davor ist zwischen all
dem Grauen herzhaft zum Lachen. Mir gefiel jene Passage in diesem Buch besonders, wo
jemandem das Polizeiauto geklaut wurde. Der Polizist hatte nämlich seinen
"brandneuen Nissan-Pickup" lieber zuhause gelassen, damit er "im
anarchischen Verkehr" Bagdads nicht beschädigt würde. Er fuhr mit seinem Privatauto
zur Arbeit. Also nahm sich sein Bruder den Polizeiwagen für einen Ausflug aufs Land.
Wobei ihm dann ein Passant seine Kalaschnikov unter die Nase hielt und um den
Autoschlüssel bat. "Woraufhin nun ein halbes Dutzend Cousins aufgebrochen ist, um
das gekidnappte Polizeiauto zu suchen."
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