20. April 2007
Es hat ein wenig gedauert, bis der Mann seinen 550
Maranello ausfädeln konnte. Rechts staute es sich rund um einen parkenden LKW, so war
Zeit und Gelegenheit für mich, in eine günstige Position zu gehn. Als ich abends mit
meiner Kulturrunde auf den Doppler-Effekt zu sprechen kam, hatte ich dann wunderbares
Anschauungsmaterial, womit man einen Doppler-Effekt vorzugsweise herbeiführen könnte. Da
dieser Ferrari auf dem Gebrauchtmarkt noch Preise von 80.000 Euro aufwärts erzielt,
ergibt sich die Gelegenheit dazu eher selten.
Der Fahrer erwies sich als netter Bursche. Als er endlich
freie Fahrt hatte, war ich von einigen kleinen Buben umringt, unter denen welche ihre
Handies in Anschlag brachten, um die Rarität zu fotografieren. Während ich schon
Ferrari- und Lambo-Fahrer erlebt habe, die einen mit gequälten Blicken belegen und aufs
Gas steigen, um vom Platz zu kommen, da kriegst du kein gutes Foto hin, falls du schlecht
stehst, während man also solche Parvenüs ertragen muß, wußte dieser Mann, was er dem
Pöbel schuldet. Er ließ den V12 ein Weilchen leise brabbeln, wartete bis wir unsere
Fotos hatten, rollte dann dezent die Bürgergasse hinunter. So geht das, Leute!
An Walter Kratners (links) und Richard Frankenbergers
Mienen kann man durchaus ablesen, wie ernst es bei unserer gestrigen Session zugegangen
ist. Wenn Kunst und Wissenschaft abseits des Landeszentrums gute Gründe und gute
Bedingungen für eine Kooperation quer durch die Gegend finden soll, ist es definitiv kein
Spaziergang, diesen Bedingungen näher zu kommen. Aber es ist ein sehr spannender Prozeß.
Bleibt abzuwarten, wie weit wir ihn auf den Boden bringen.
Apropos! Jörg Vogeltanz hat eben die Karte für
unsere kommende Station von "next code: love" geliefert. Die Ausstellung
hängt im Mai. Cut!
Ich hab gestern
davon erzählt, daß mir bei einem Vortrag in der Stadtbücherei so deutlich geworden ist,
wie wir die Konsequenzen der Nazi-Ära abbiegen konnnten. Indem wir daraus Folklore
gemacht haben. Und! Es fiel mir dieser zentrale Kniff auf, das Reflexionsgeschäft zu
verkürzen. Er liegt in einem Satzfragment:
"Ja, mein Vater war ein Nazi, aber ..." Genau
dieses "aber" ist die Falle. Oder der Trick. Dieses "aber" leitet die
Relativierung ein, das Verharmlosen. |
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Denn ich habe es noch nie anders erlebt, als daß
nach diesem "aber" eine ausführliche Schilderung gefolgt wäre, was an der
genannten Person positiv zu bewerten wäre. Das läuft entlang der falschen
Prioritätenliste. Es weist darauf hin, in welchem Punkt wir uns haben korrumpieren
lassen. Weil Täter, wenn sie davongekommen sind, eine Netzwerk der Lügen in Gang
bringen. Weil dann nichts sein darf was es ist. Weil daraus eine Crescendo der Umdeutungen
erfolgt, das zuerst bloß die Umstände der Täterschaft betrifft, schließlich aber JEDEN
Lebensbereich.
Dem ist man als kleines Kind natürlich völlig wehrlos
ausgeliefert. Man muß jede Unstimmigkeit integrieren, jede Zurechtweisung fressen, jede
Legende annehmen. Man verlöre ja sonst den Rückhalt, den man sich von Mutter und Vater
erhofft. Wer so in seinem Sensorium und in seinen Kriterien zugerichtet wurde, muß es
später, als erwachsener Mensch, schon SEHR wollen, um dieses Gespinst aufzuzbrechen; um
sich neu zu orientieren.
Und dann könnte es nicht so klingen: "Ja, mein Vater
war ein Nazi, aber ..." Es würde so klingen: "Ja, mein Vater war ein Nazi, und
dazu ist festzustellen, daß ..." Im Anschluß müßte man seine eigenen, neu
erworbenen Kriterien anwenden. Man müßte wenigstens andeuten können, was einem,
gestützt auf diese Kriterien, an der Person, ihrer Rolle, ihren Handlungen auffällt.
Oder aber, man müßte, falls einem das zu schmerzlich ist, schweigen. Dieses oder jenes,
doch KEINESFALLS dieses relativierende und beschämende "ja, aber ..."
[Wir
Kinder des Kalten Krieges]
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