11. April 2007

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Asche. Wenn ich an solchen Plätzen vorbeigehe, springt das Metapherngeschäft wie von selbst an. Darüber ist freilich zu schweigen. Denn so billig geht das jetzt nicht. Oder etwa doch? Irgendwas läuft da draußen merkwürdig. Der Druck scheint zu steigen.

Ein Sachbearbeiter bei der Bank erzählte mir gestern, er sei jetzt rund drei Jahrzehnte im Geschäft. Noch nie zuvor sei es ihm widerfahren, daß er ein Gespräch abbrechen mußte, weil Kundschaft so aggressiv war, so energisch das eigene Programm fuhr, daß er nicht zu Wort kommen, sich Gehör verschaffen konnte. Heuer sei ihm das unlängst zum dritten Mal passiert.

Kurz darauf bekam ich selbst ein Exempel, wie sich steigender Druck auswirkt. Zwei harsche Botschaften fielen mir innerhalb kürzester Zeit zu. In einer kleinen Korrespondenz mit einer deutschen Künstlerin, die sich mit einem Anliegen an mich gewandt hatte. [Ausschnitt] Meine Rückfragen zu einigen Details mündeten in folgende zwei Mitteilungen:

>>ich könnte dich nun einen faschisten nennen, aber ich fände das albern [...] du wirkst seelisch krank.<<

Verflixt! Was hab ich denn DA wieder angestellt? Ich erlebe es zum wiederholten Mal, daß mir eine Auffassungsdifferenz genau diese beiden Befunde einbringt:
a) faschistisch
b) pathologisch

Das ist auf unserem Feld so ziemlich die Maximalsanktion: Er ist ein Vernunftflüchtling, mit einer kranken Seele geschlagen, und vermutlich, räusper, hüstel, ein Faschist. Umfassender bräuchte man keinen Intellektuellen abzukanzeln, damit wäre heruntergeräumt, was herunterzuräumen sich lohnt.

(Haben übrigens nicht die Nazi eine starke Tendenz gehabt, Andersdenkenden genau diese Zuschreibungen anzuheften? Da müßte man bloß "Faschist" durch "Kommunist" ersetzen, schon wäre die Analogie reibungslos.)

Warum habe ich selbst von Erzkonservativen solche Art der "Feindmarkierung" noch nicht erlebt, in Künstlerkreisen aber schon mehrmals? Es ist so, als wollte mir jemand flugs illustrieren, was ich aus einem Gespräch mit dem bosnischen Autor Dzevad Karahasan mitgenommen hab. Ich habe hier in den jüngeren Einträgen einige Stellen aus diesem Gespräch zitiert. Dem ist nun dieser Ausschnitt anzufügen:

>>Es stört mich nicht im geringsten, wenn Herr Strache, ein Lastwagenfahrer, ein Unteroffizier, ein Kellner nach Vereinfachungen greifen, sich die Welt zu erklären. Aber wenn die Intellektuellen, wenn die 'Werteproduzenten', wenn die Leute, die Wertbegriffe, Wertvorstellungen schaffen, wenn Deutungseliten nach Vereinfachungen greifen, ist der Teufel los.<< [Quelle]

Also. Man könnte mich einen Faschisten nennen? Nein. Könnte man nicht. Weil es nach dem Ende des 20. Jahrhunderts einen sehr klaren Stand der Debatten gibt, was unter Faschismus zu verstehen sei und was nicht; woraus er sich bezieht und woraus nicht.

Es würde mich sehr erstaunen, könnte man auch nur ein einziges der außer Streit stehenden Kriterien auf mich anwenden. Aber darum geht es gar nicht. Sonder eher darum, daß sich eine banale Geschwätzigkeit darin offenbart, dies und das, sobald es einem gegen den Strich geht, als "faschistisch" zu markieren. Dadurch wird "Das Faschistische" zum Allgemeinplatz, beliebig anwendbar, was die historische Realität auf Kategorien des Alltagsunmutes relativiert.

Vielleicht ist es ein wenig wie die Sache mit Kolumbus. Wenn man lange genug nach links rudert, kommt man mitunter rechts an. Warum findet man das in der beschriebenen Art gerade auf dem Kunstfeld? Mag sein, daß die Vorgeschichte des Faschismus dazu klärende Anregungen bietet. Ein abrutschendes Kleinbürgertum, Leute die es gerade erst zu etwas gebracht hatten und schließlich von Deklassierung bedroht wurden, auch solche, die sich schon als marginalisiert erlebten, stellten jenes Milieu, aus dem eine Unzahl von Faschisten rekrutiert werden konnten. Verkürzt ausgedrückt: Steigt der Druck, wird in unserer Gesellschaft gerne nach rechts gerückt.

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Zum Vergleiche: Siehe entsprechende Einträge in der
"kleinen enzyklopädie der beschimpfungen": [link]


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15•07