4. März 2007
Der frühe Frühling bedient den Automobil-Paparazzo in mir
mit Hingabe und weht wunderbare Stücke an die frische Luft. Wie diesen, nein!, nicht
Lada, sondern Fiat 125 spezial in Graz, also das über 30 Jahre alte Original.
Cut!
Im Booklet zu einer Hörspiel-CD mit Das
Totenschiff von B. Traven fand ich gerade ein höchst staunenswertes Wort:
Musikeincutterung
Die Lizenz zur Wortschöpfung ist eben frei zu haben. Es
gibt ambitionierte Kreationen, die mich ärgern, weil sie dem Versuch geschuldet sind, uns
Realitäten aufzudrängen, mindestens: anzudienen. Das meint teils altgediente Begriffe
wie zum Beispiel "Grauschleier", womit einem ja reingedrückt werden soll, daß
Gardinen jenseits von "strahlendem Weiß", also "nicht bloß sauber,
sondern rein", daß solche Gardinen einer Art "Kulturschande" gleichkämen.
Dagegen ist "Musikeincutterung" hinreißend unehrgeizig.
Oder "Küchengeruch". Das ist auch so eine
schäbige Kreation, die das Essen desavouiert. Denn wenn Düfte, die von gutem Essen im
Raum zurückbleiben, zum Ärgernis umgeschrieben werden, greift das in unsere Bereiche der
Sinnlichkeit ein.
Interessant, daß Schweißflecken und Kopfschuppen als
Ausdruck von "Kulturschande" weit abgefallen sind. In meinen Teenagerjahren
waren das Spitzenreiter. Eine Ära, in der man sogar "Intimspray" kaufen konnte.
Gibt es sowas eigentlich noch?
Übrigens! Hörspiel! Man kann der schreibenden Zunft nur
dringend empfehlen, keine Passagen zu verfassen, in denen gelacht wird. Es wäre gegen
mäßig begabtes Personal in den Tonstudios nichts einzuwenden. Das Outrieren kann sogar
Reize haben. Wäre da nicht jenes furchtbare Gackern, als das einen unbegabtes Lachen aus
jeder Geschichte wirft. Was ist das bloß für eine menschliche Eigenschaft, das Lachen,
daß es derart erbärmlich klingt, falls man es ohne guten Grund vorgibt?
Cut!
Autsch! Ich nehme sicherheitshalber an, daß ich der Letzte
bin, dem dieses Wort "Low Culture" erstmals unterkommt. (Quelle: "Falter") Hier sprach Eva Dichand.
(Ja, die Schwiegertochter.) Hochkultur und Low Culture. DAS ist Stand der Dinge im
Beschreiben unserer Welt?
Ich hab zum Stichwort Handke gestern notiert: "Anfechtung des Monopolanspruchs in Sachen
Definitionsmacht, wie er von Zeitungs- und Rundfunkleuten hoch gehalten wird ..."
Oder braucht man das der Dichand gar nicht anzukreiden, weil es eh breiten Konsens gibt,
das kulturelle Leben sei in solchen Kategorien zu darzustellen? High + Low ...
Na, da haben wir
aber einiges an zu leistender Arbeit verschnarcht. Derweil man sich darüber Gedanken
machen möchte, rauscht schon das nächste Problem ins Blickfeld. Was Eva Dichand hier (rechts) anmerkt, handelt von nicht weniger als
dem Schwinden einer Grundlage der "bürgerlichen Öffentlichkeit". Wäre das von
anderen Medienbereichen, neuen Medienformen ausgeglichen? (Ha! Da muß ich selber lachen.)
Hieße all das weiter, da sei womöglich eine Bewegung im
Gange, die genau das wieder herbeiführt, wovon wir uns im 20. Jahrhundert weg zu begeben
versucht haben? Nämlich diese harte Bipolarität "Hochkultur und Low Culture".
So im Sinne von "gebildete Eliten und ungebildete Massen" ... |
|
Da beim steirischen Kulturknoten mur.at eben der kommende "NCC" (=
Netzkultur-Konvent) debattiert wird, sind solche Fragen bei der hiesigen Netzkultur-Szene
zumindest implizit auf dem Tisch. Interessanterweise herrscht bei der Arbeitsgruppe die
Ansicht vor, etablierte Printmedien hätten den Laden (das Land?) sowieso übernommen,
dagegen sei nichts auszurichten.
Einschub: Reni und Jogi Hofmüller beim letzten
NCC-Arbeitstreffen, Reni ihr Recht auf Verfügung über das eigene Bild einfordernd. Oder
aber! Das ist ohnehin ein interessantes Beispiel. Diese Frage, welches Recht man auf sein
eigenes Bildnis habe.
Ich dachte mir das in der abgelaufenen Woche, als ich auf
einigen Zeitungs-Covers jene Bankangestellte sah, die bei einer Geiselnahme in Graz
freigekommen und gleich den Paparazzi vor die Kamera gelaufen war. Ein Journalist wird
eventuell mit einem Verfahren rechnen müssen, da er in der Bank angerufen und den
Geiselnehmer ans Telefon bekommen hatte.
Worauf genau berufen sich eigentlich Medienprofis, wenn sie
so weit und so skrupellos in die Katastrophe anderer Menschen vordringen? Das Öffentliche
und das Private und wie sich all das zu einander verhält, respektive wer durch welches
Mandat welche Verfügungsgewalt bekommt. Eine Menge offener Fragen ...
[kontakt]
[reset] [krusche] |