19. Februar 2007

Der syrische Moslem Bassam Tibi macht (mit Berufung auf Henri Tirenne) geltend, die "Geburt des Abendlandes" sei eine Reaktion auf die "islamische Herausforderung". Eine sehr anregende Überlegung. Daß muslimische und christliche Fürsten in der Feudalzeit gleichermaßen auf Expansion gesetzt haben, ist evident. Grund und Boden, darauf tätige Untertanen, das waren die Existenzgrundlagen der Eliten. Grund und Boden können ja nicht vermehrt, sondern bloß in größerem Ausmaß in Besitz genommen werden. Demnach waren Kriege das Standardgeschäft aller Fürsten. Bassam Tibi:

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Parallel gab es eben wechselwirksame Kräftespiele der Kulturen. Für muslimische Intellektuelle war es selbstverständlich, europäisches Denken zu rezipieren. Tibi nennt das die "Hellenisierung" im Hoch-Islam. Durch das Studium philosophischer Texte Europas und deren Kommentierung.

Ein praktischer Effekt lag unter anderem darin, daß Europa, wie ich hier schon mehrmals erwähnt habe, über Kommentare und Rückübersetzungen der Muslime all jene Texte der griechischen Philosophie zurück bekam, die bei uns verloren gegangen waren. (Völkerwanderung etc.)

Wo und wie hätte Thomas von Aquin seinen Aristoteles gelesen, wenn nicht ibn Ruschd (Averrores) ihm dazu verholfen hätte? Europa hat sich dafür manierlich bedankt:

>>Benozzo Gozzoli, "Triumph des Hl. Thomas von Aquin über Averroes" (1468/84). - Thomas sitzt zwischen Aristoteles und Platon, vor ihm liegt niedergeworfen Averroes<< [Quelle / Bild: public domain]

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Cut!

Ich hab gestern den "ausgezehrten Schmock" erwähnt, KHG auf dem Cover von "Vanity Fair". Das ist natürlich eine Anspielung auf einen höchst amüsanten Roman von Tom Wolfe, mit dem Titel "Bonfire Of The Vanities" / "Fegefeuer der Eitelkeiten". Darin kommen, wenn ich mich recht erinnere, "vorzüglich ausgemergelte" Personen vor, womit Wolfe allerdings hauptsächlich "Zitronentörtchen" meinte. Also magere bis athletische Party-Garnituren weiblichen Geschlechts. Vielversprechende Happen, bei deren Anblick manche Menschen schlagartig ein Sabberproblem bekommen.

Der erwähnte KHG hat in seiner Selbstdarstellung einen "dekadenten Grafen" gegeben. Was recht lustig erscheint, wenn man bedenkt, daß der radikale Aufsteiger Finanzminister einer Republik gewesen ist. Das illustriert einmal mehr, wie eine letztlich maßlose Aristokratie, deren Glanzzeiten im Barock ihre zynischen Höhepunkte hatten, deren Chefetage (des Hauses Habsburg) im Ersten Weltkrieg ein Weltreich versenkt hat, daß also diese Aristokratie in republikanischen Zeiten offenbar immer noch normative Instanz ist ... wenn es um Größenphantasien geht.

Na bravo! Da war nun Paris Hilton tatsächlich der passende Hieb für solche Kreise, weil sie den Wiener Opernball zur Party gemacht hat, wie, ich weiß es nun nicht genau, möglicherweise Elfriede Hammerl im "profil" angemerkt hat. Zur Sache gibt's dann noch einiges zu bemerken. Wie sich nämlich "Helden der Geschichte" herausstellen, hervortun, dabei systematisch jene Vorleistungen einer Gesellschaft, einer ganzen Kultur ignorieren, unterschlagen, ohne die es ihr großes Tun gar nicht geben könnte ... das hat allerhand mit dem zu tun, wie sich ein "westliches" Europa seit langem anderen Kulturen gegenüber verhält.

[Der "Balkan-Reflex"]


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