26. Jänner 2007
Ich bin nicht nur ein Blaukraut-Junkie.
Gorgonzola-Sauce. Auf Creme fraiche gestützt. Und reichlich Muskat dazu. Das ist etwas
von verheerender Anziehungskraft. Höchst ungünstig für jemanden, der zu leiblicher
Trägheit neigt. Denn diese Sauce produziert gnadenlos, was mein Dämon Vogeltanz
lächelnd "Hüftgold" nennt. Ich wüßte zu gerne, was genau in einem passiert,
um Geschmacksleidenschaften herauszubilden.
Cut!
Ich
hab dieser Tage zwei Nachrichten erhalten, beide von Kunstschaffenden, die zu unserer
kommenden Station "next code: in between" gehören. Amirali Ghasemi aus Teheran
fühlt sich von Kriegsdrohungen
gegen seine Heimat beunruhigt. Deniz Gül aus Istanbul ist über den Mord am armenischen
Journalisten Hrant Dink aufgebracht. |
|
Amirali mailte:
>>Incredibly enough, while everyone else
is saying that we should end the war in Iraq and talk with Iran and Syria, President Bush
is now sending more troops to Iraq, and clearly preparing, in words as well as actions, to
launch a military strike against Iran. (Or let Israel do it for him.)<< [peace action]
Deniz schrieb:
>>sorry i am kinda deranged these days,
very sad and angry; an assaniation by some nationalist; maybe you heard in the
news.<<
Wir haben das kurz erörtert, denn es liegt
nahe, solche Ereignisse, die sich derart wuchtig in den Alltag schieben, nicht zu
ignorieren ... wenn wir etwa gerade eine Themenstellung für ein künstlerisches Projekt
herausarbeiten. Mirjana Selakov schrieb, der Vorfall erinnere sie an die Ermordung von
Zoran Djindjic, der serbischer Präsident gewesen ist. (Das war 2003 gewesen.) Unsere
"österreichischen Erfahrungen" damit, politisch Unliebsame zu exekutieren,
liegen bloß wenige Jahrzehnte mehr zurück. (Wann wurde die russische Journalistin Anna
Politkowskaya mit einem Kopfschuß aus dem Leben befördert? Letzten Oktober.)
Deniz Gül schrieb weiters:
>>First of all Hrant Dink was a
very very nice person, who could laugh, love, hug, dance, and live; a person like us. Love
of human being was in every sentence of him.
The story is many sided. He is Armenian, and he wanted to
recover dialogue between two nations, he opposed both the diaspora and the attitude of
turkish state in the sense of conjoining at the very bases of "etre humaine".
The reason was to talk, talk, talk until we knew each other.<<
Das
ist also ein internationaler Evergreen, ein weltweit erfolgreicher Dauerbrenner: Geistige
Opponenten aus dem Leben zu schießen. Oder zu prügeln. Wie's beliebt. Schauspieler Gerard Depardieu hat in "Der Spiegel") eben illustriert, wie
das im Frankreich seiner Jugendtage praktiziert wurde.
Was schrieb Deniz Gül eben über die
Intentionen von Hrat Dink?
"Reden, reden, reden, bis
wir einander kennen." |
|
Damit wird auch begreiflich, was
Kultur zu leisten hat, was die Wirtschaft für sich nicht leistet, nicht zu leisten vor
hat. Ich erwähne das, weil gerade im Kulturkontext manche Wirtschaftstreibende gerne die
Vorstellung ausposaunen, sie seien die primäre Kräfte, von denen die wichtigsten
Grundlagen einer Gesellschaft erarbeitet würden. Da komme das Geld her.
Tja, bloß: Was würde das nützen, wenn nicht die sozialen
und kulturellen Aufgaben bearbeitet würden, die Gegensätze und Widersprüche einer
pluralen Gesellschaft so abzumildern, daß sie nicht eliminiert werden müssen, sondern
gelebt werden können? Sie ahnen es schon! "Reden, reden, reden, bis wir einander
kennen." Das sind auf jeden Fall Agenda der Kultur und teilweise auch der Kunst.
[kontakt]
[reset] [krusche] |