4. Jänner 2007
Zu mehr als einem Graupelschauer hat es der Winter bei uns
bisher nicht gebracht. So auf dem Weg zu einem britischen Frühstück bei Inge und Franz
Wolfmayr. Porridge, Toast und gebratenen Nieren, Tee. (Feine Ergänzung zur Begegnung mit
dem britischen Motorenbauer Bill Hurr; siehe Eintrag vom 31. Dezember!)
"Man muß die Welt nicht aus den Angeln heben",
sagte Franz, "aber im eigenen Alltag kann man viel tun." Eine sehr anregende
Position. In der er, was sein soziales Engagement angeht, die Ansicht vertritt: "Man
ist kein Opfer." Weltrettungs-Attitüden schließt er aus.
In welchem Zusammenhang? Er ist Vizepräsident der "EASPD" (European Association of
Service Providers for Persons with Disabilities). Die Verknüpfung von solider
Theoriearbeit und gnadenlos gefordertem Praxisbezug, wie er sie labt, hab ich oft sehr
ermutigend gefunden. Als ein politisch verstandenes Tun.
Denn es ist beunruhigend, wie viele Menschen an
unerträglichen Bedingungen festhalten und Veränderungen mit allen verfügbaren Kräften
blockieren. Franz sagt: "Wir sehen das in unserer Arbeit, daß es viel mit
persönlichen Erfahrungen zu tun hat, ob du Veränderungen aushältst."
Das klingt etwas verblüffend. Sogar Unerträgliches
ertragen, weil man Veränderungen nicht aushält? Genau. Das kommt vor. Häufig.
Cut!
Die näheren Umstände der Hinrichtung von Saddam Hussein,
die Exekution als unverhohlener Racheakt, diese miese Inszenierung mit all dem Geschrei,
hat der ganzen Geschichte endgültig den Rest gegeben. Es heißt, selbst in einem
mustergültigen Verfahren hätten die Beweise sicher gereicht, um Saddam schuldig zu
sprechen. Weshalb es unerträglich sei, daß das Verfahren so eklatante Mängel aufweist.
Gerade im Falle eines gestürzter Tyrannen.
Und dann dieses obszönen Umstände von Saddams
Hinrichtung. Als wäre es nicht schon schwierig genug, dieses Rechtsgut gegen jede
Schwächung zu sichern, das Prinzip "Recht, nicht Rache". (Foto-Quelle: DoD)
Dazu geht es dann auch noch mit manchen Zynikern durch,
indem sie Dinge unterstellen, die, wenn es so mit ihnen durchgeht, sehr großzügig jede
Kritik an diesen Vorgängen desavouieren. Wie die "Polemische Breitseite gegen
"Dummschwätzer" - ein Kommentar der anderen von Henryk M. Broder" [Quelle]:
>>Die europäischen Reaktionen auf den Tod von
Saddam Hussein sind so hanebüchen wie es das Verhalten der Europäer gegenüber Gewalt
überhaupt ist. Dieselben Knalltüten, die jedem "Selbsmordattentäter" edle
Motive unterstellen und allenfalls die Folgen seiner Tat fragwürdig finden, die
angesichts von drei bis vier Millionen Toten im Kongo und vierhunderttausend Toten in
Darfur kein Unbehagen empfinden, aber am Al-Kuds-Tag das "Ende der zionistischen
Besatzung Palästinas" fordern, dieselben Knalltüten bekommen weiche Knie, wenn sie
daran denken, was Saddam Hussein erleiden musste. Und fangen an zu fantasieren: über die
grundsätzliche Unzulässigkeit der Todesstrafe und über die Chancen, die durch die
Hinrichtung Saddams angeblich vertan wurden.<<
Da sind eine Menge Unterstellungen enthalten, die Herr
Broder an ernst zu nehmenden Leuten nicht so leicht wird verifizieren können. (Nebenbei
bemerkt: Israel hat wohl noch allerhand zu tun, mit dem Völkerrecht und der Erklärung
der Menschenrechte wieder auf Stand zu kommen.)
Dazu fügt sich nun sehr geschmeidig das Verhaltern von
Herrn Ban Ki Moon. Ganz bemerkenswert, daß der neue UN-Generalsekretär sich zur
Todesstrafe so gefällig äußert:
>>Mit seinen Äußerungen zur Todesstrafe hat der
neue UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon gleich an seinem ersten Arbeitstag eine Kontroverse
ausgelöst. Auf die Bitte eines Reporters nach einer Stellungnahme zur Hinrichtung Saddam
Husseins antwortete Ban, der frühere irakische Präsident habe sich schwerer Verbrechen
schuldig gemacht. Es es stehe jedem Land frei, über Exekutionen zu entscheiden.<< [Quelle]
Man darf annehmen, er hat noch keine Zeit gefunden, sich in
der eigenen Firma umzusehen. Etwa bei "The Office of the High Commissioner for Human
Rights", wo es in "Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte"
unmißverständlich heißt:
>>Artikel 5: Niemand darf der Folter oder
grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen
werden.<< [Quelle]
Denn das genannte Office ist "a department of the
United Nations Secretariat, is mandated to promote and protect the enjoyment and full
realization, by all people, of all rights established in the Charter of the United Nations
". Vielleicht werden wir ja erfahren, wie der neue Chef den Leuten dort erklärt,
warum die Todesstrafe NICHT unter den Artikel 5 fällt.
[kontakt]
[reset] [krusche] |