15. Oktober 2006
Kuratorin Övül Durmusoglu war nach Graz gekommen, um Slavoj Zizek zu sehn. Der
Samstag ist die längste Zeit trüb gewesen, der chinesische Wirt hatte sich geziert, uns
die Terrasse zu öffnen, als die Sonne endlich heraus kam. Chris Haderer und Claudia
Altendorfer hatten sich mit mir verabredet, um eine Reportage für Radio Orange 94.0 zu machen.
Der Literaturnobelpreis für Orhan Pamuk stand
seit dem Vortag fest. In unserer Plauderei über die Reaktionen in der Türkei erzählte
Övül von Haltungen nationalistischer Gruppierungen. Die sind so verblüffend
deckungsgleich mit den Attitüden der vaterländischen Parteien Österreichs in den
Abwehrreflexen der Türkei gegenüber, man möchte geradezu empfehlen, derlei Parteien
mögen sich zusammentun.
Die Unterstellung, man würde den
europäischen Nobelpreis am ehesten dafür bekommen, die Ehre des eigenen Landes zu
verkaufen erinnert ja auch sehr an viele österreichische Reaktionen auf den Nobelpreis
für Elfriede Jelinek.
Es ist ein grimmiger Witz und auch sehr
aufschlußreich, daß sich vaterländische Parteien der Türkei und Österreichs so im
inhaltlichen Gleichklang bewegen. Die Idee eine "Herabwürdigung des
Türkentums" zu sanktionieren korrespondiert mit der irrationalen Parole
"Österreich zuerst!" auf skurrile Art.
Cut!
Die Apotheke, hinter der ich wohne, wird einmal pro Jahr für eine
Ausstellung freigeräumt. Um zu einer neuen Dichte zu führen, in der sich Menschen
drängen, in der es um Bedeutungen, ästhetische Erfahrungen und wachsende Leichtigkeit
geht. Kontrast zum Alltäglichen.
Der Wirt, dem die Ausschank anvertraut war,
hatte sich mit mir vermutlich ein soziales Experiment vorgenommen, denn wann immer er in
meine Nähe kam, füllte er mir vorzüglichen, gut gekühlten Weißwein nach, der seine
wuchtige Wirkung sanft entfaltet hat. Das zog sich über Stunden und wäre mir als
privater Ausflug praktisch unbezahlbar gewesen. Mehr als den überaus kurzen Heimweg
hätte ich auch nur schwer geschafft ...
Cut!
Mike Roloff
schrieb mir dieser Tage:
>>Martin, dein Auto Erlebnis 11/10/06 im Logbook erinnert mich an einen beinah
Unfall des Winters 1957! Auf der Rückfahrt von Nürnberg nach München, von einer
Faschings-Party [ich studierte in Muenchen, erstmals zurück in Deutschland], fing mein
abgeschleppter BMW Cabriolet an [Jahrgang 1939! so ein wie einer in dem ein meiner
Großväter herumgesaust war], auf einem glatten gefrorenen Waldstrecke der Autobahn sich
um den ihn schleppenden Ford Taunus [???] jüngsten Jahrgangs ... als wir [die zwei Autos]
sich beruhigt hatten und die Mädchen und Männchen ausgestiegen, wunderte man sich
erstens darüber dass die Karren noch beide auf der Fahrbahn standen ... und über die
Lichter der hinter uns anfahrenden Fahrzeuge ... ob die wohl auf uns weiter rutschen
wurden ...<<
Der Ford Taunus
dieser Zeit war im Design gewissermaßen ein geschrumpfter Amerikaner mit
Pontonkarosserie, wie sie sich nach dem Krieg durchgestezt hatte. Ein BMW Cabrio vom Ende
der 1930er ist mit Sicherheit eine sehr exklusive Sache gewesen. BMW hatte ja erst ein
Jahrzehnt davor überhaupt mit dem Autobau begonnen. Zu einem 39er-Cabrio fällt mir
überhaupt nichts anderes ein als der überaus legendäre 328er, den ich
leider noch nie live gesehn hab. Dieses Modell hat bei der Mille Miglia Furore gemacht.
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