24. September 2006

hofburg.at - Der Österreichische Bundespräsident
Rede beim "Österreichischen Gemeindetag 2006" im Wiener Messezentrum

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich bedanke mich sehr herzlich für die Einladung zum diesjährigen österreichischen Gemeindetag, der die Interessen von mehr als 2.300 österreichischen Gemeinden vertritt. Dieser Gemeindetag bietet die Gelegenheit, mit vielen Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen zusammenzutreffen, aber auch mit dem Präsidenten des Gemeindebundes Helmut Mödlhammer, den Mitgliedern des Präsidiums und mit Generalsekretär Dr. Robert Hink.
Gleich zu Beginn möchte ich mich auch für die gute Zusammenarbeit mit den Bürgermeistern und Gemeinden sehr herzlich bedanken. Es ist immer eine große Freude, österreichische Gemeinden zu besuchen.

Meine Damen und Herren!

Die Gemeinden unseres Landes sind die Keimzellen des Heimatgefühles. Sie erfüllen eine Vielzahl von Aufgaben. Sie haben große Verantwortung. Sie sind daher von der Qualität der Gesetzgebung, von den Strukturen der Verfassung betroffen. Die Gemeinden haben in Österreich wichtige Beiträge zur Verfassungsentwicklung geleistet, und ich hatte während der Zeit der Beratungen des Österreich-Konventes besonders intensiven Kontakt mit Gemeindevertretern, die auch große Hoffnungen in die Beratungen des Konvents gesetzt haben.

Sie wissen, dass der Konvent im ersten Anlauf das hochgesteckte Ziel der Erarbeitung einer neuen Bundesverfassung nicht erreicht hat. Das ist aber kein Anlass, die Flinte ins Korn zu werfen.

Sondern ich glaube: Es wird eines der Ziele der nächsten Bundesregierung und des nächsten Nationalrates sein und sein müssen, strukturelle Reformen im Bereich der Bundesverfassung mit neuem Schwung in Angriff zu nehmen. Und ich werde diese Zielsetzung im Rahmen meiner Möglichkeiten gerne unterstützen.

Heuer findet der Gemeindetag 2006 in Wien statt.
Wien ist schon eine besondere Stadt; ein europäisches Juwel, auf das wir alle stolz sein können. Ich denke an die eindrucksvolle Geschichte dieser Stadt. An Wien als Standort von Wissenschaft und Forschung, mit der ältesten Universität nördlich der Alpen. Wien als Kulturstadt. Wien als internationale Stadt und als einer der Amtssitze der Vereinten Nationen (IAEO).

Wien als Drehscheibe für jenes Mitteleuropa, das sich in den letzten Jahren durch die Erweiterung der EU ganz neu entwickelt hat.

Wien auch als eine lebenswerte und liebenswerte Stadt. Ich wünsche der Stadt Wien und der Gemeinde Wien eine gute Zukunft. Und der Städtebund und der Gemeindebund werden davon ebenfalls profitieren.

Herr Präsident!

Lassen Sie mich vor diesem repräsentativen Gremium noch so etwas wie eine persönliche Anmerkung aus aktuellem Anlass machen:

Am 1. Oktober finden Nationalratswahlen statt.

Daher haben wir Wahlkampf.

Dabei geht es um viel. Daher kann, soll und darf man hart diskutieren.

Und daher darf man auch nicht zimperlich sein, das weiß ich, und das wissen auch alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister.

Ich habe mir auch fest vorgenommen, mich in den Wahlkampf weder einzumischen, noch hineinziehen zu lassen. Dabei bleibt es auch. Aber ich glaube, dass es nicht nur vernünftig, sondern notwendig ist, schon während des Wahlkampfes auch an die Zeit nach der Wahl zu denken bzw. zu erinnern.

Der 2. Oktober kommt ganz bestimmt.

Es kann Ihnen als Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und mir als Bundespräsident nicht gleichgültig sein, wenn bis zum 1. Oktober zu viel politisches und menschliches Porzellan zerschlagen wird. Wenn nicht nur die politische Kultur, sondern auch die in der Politik unverzichtbaren zwischenmenschlichen Beziehungen, ernsthafte Beschädigungen erleiden sollten.

Meine Damen und Herren!

Ich hoffe, Sie spüren, dass es mir um ein ernsthaftes Anliegen geht, wenn ich sage: ich schätze in einer demokratischen Auseinandersetzung weder den Begriff Napalm noch den Versuch eine große demokratische Partei ganz pauschal als im Sumpf eines Bankenskandals untergehend darzustellen.

Ich bin betroffen und alarmiert, wenn entgegen den Grundsätzen unserer Bundesverfassung, Menschen mit anderer Religion oder anderer Nationalität zu Feindbildern gemacht werden.

Ich bin realistisch genug zu wissen, dass ein Appell des Bundespräsidenten dem Wahlkampf nicht plötzlich eine andere Richtung geben wird; aber ich vertraue darauf, dass Sie, meine Damen und Herren Bürgermeister, in Übereinstimmung mit der großen Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher ähnlich denken. Und dass wir gemeinsam ein bisschen dazu beitragen können, dass in den letzten Tagen der Wahlwerbung auch an den Tag nach der Wahl und an gemeinsame Aufgaben und Werte gedacht wird.

Eine Demokratie ist dann stabil, wenn es einen ausreichenden Fundus an Gemeinsamkeiten gibt.

Erst diese Gemeinsamkeiten machen es möglich, dass sowohl ein Regierungswechsel als auch eine Regierungsbestätigung durch eine Wählermehrheit von allen Beteiligten akzeptiert werden kann. Daher müssen wir uns diese Gemeinsamkeiten über alle politischen Gegensätze hinweg erhalten und bewahren.

Ich danke nochmals allen österreichischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern für ihre verdienstvolle Tätigkeit im Interesse des Gemeinwohles und bitte Sie, Ihren Einfluss im Sinne unserer gemeinsamen Werte und Überzeugungen geltend zu machen.

© 2006 Präsidentschaftskanzlei / Quelle

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