17. September 2006

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Einübung in den Herbst, Kühle, anhaltender Regen ... und dann diese Kuriosität. Derlei barocke Wundermaschinen bekommt man auf unseren Straßen nur selten zu sehen. Designer Harley Earl hatte Ende der 1950er mit diesem Cadillac alle Zweifel ausgeräumt, daß Erwachsenheit eine verhandelbare Kategorie sei. Der über fünf Meter lange Fullsizer wurde zur Legende.

Er ist fraglos eine ästhetische Grausamkeit auf vier Rädern. Aber was sich unter der Motorhaube tut, erklärt vielleicht den Appeal dieses Wagens, der sich eher nicht bei noblen Leuten zu großer Wirkung entfaltet. Das demonstrative Verbrennen von Geld hat einst dem Adel jene Distanz zum Pöbel geschaffen, zu der sich unsereins, mangels der Mittel, nicht aufraffen konnte. Genau dafür steht dieser wuchtige Brocken, der bei uns vor allem in kleinbürgerlichen Kreisen für glänzende Augen sorgt..

Er steht auch für ein halbes Jahrhundert Bedenkenlosigkeit im Verbrauch von Energie. Was ich gestern notiert habe, steht damit in praktischem Zusammenhang. Vom 9. auf den 10. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Ein symbolhaftes Ereignis, welches für das Ende der bipolaren Weltordnung steht, für die paradigmatische Konfrontation der USA und der einstigen UdSSR.

In so wenigen Jahren hat Amerika diese Bipolarität wieder eingeführt, die nun "Westen versus Islam" heißt. Einer der Hauptgründe dafür ist der maßlose Bedarf an Erdöl.

Cut!

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Was sich hier unter der Schere von Architekt Andreas Mayer duckt, ist ein Huhn, das mit Stücken von Apfel, Melone und frischem Ingwer, mit Rosinen gefüllt, mit ganzen Äpfeln in die Form gebettet wurde, um so ein Weilchen im Backrohr zu verbringen. Während wir die Leber schon vorab, in Knoblauch, Öl und Rosmarin gelegt, zu feinen Melanzani auf dem Tisch hatten.

Mayer ist mit dem Wesen von Städten befaßt, mit den sich vollziehenden Veränderungen. Bemerkenswert, daß er Europa, das "westliche Europa", sich verhalten sieht wie eine mittelalterliche Stadt. Die "Festung Europa", in der geklärt sein will, wer "drinnen" und wer "draußen" ist. Ein antiquiertes Konzept, das von Rückzug handelt, von wachsenden Nachteilen. Womit dieses Europa ausdrücken würde, eine "sterbende Region" zu sein.

Mayer deutet unsere Kultur als eine überbehütete und überregulierte, wodurch wir wesentliche Fähigkeiten zur Selbstorganisation einbüßen würden. Früher haben man zwar INNERHALB der Stadtmauern solche Regelwerke hinnehmen müssen, dafür durfte man VOR der Stadt seinen eigenen Ideen nach eigenem Gutdünken nachgehen.

Dieses "vor der Stadt" würde heute fehlen, sagt Mayer. Als ich von "Exociti" und meinem Aufenthalt in Istanbul erzählt hab, meinte er, wir hätten hier überhaupt keine Ahnung, wie tatkräftig die Türken seien. Keineswegs in dem bei uns kolportierten Sinne einer Art "Eroberung" Westeuropas. Sondern vor allem im unternehmerischen Sinn. Und eben in der Fähigkeit, sich selbst voranzubringen.

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Kunsthistorikerin Mirjana Selakov ist, ähnlich wie die Leute, die ich in Istanbul getroffen hab, mit den Fragen befaßt, wie sich denn Ost und West zu einander verhalten, welche Einflüsse da wirken, welche Traditionen wirksam waren und wohin sich jemand orientieren möge, der (ganz salopp zugewiesen) nicht dem "Westen" zugerechnet werde.

Zu diesen Überlegungen lieferte Mayer ein sehr anregendes Bild. Bei uns sei es lange darum gegangen, in den dichten Wäldern eine Lichtung zu schlagen und diese offen zu halten. Im Gegensatz dazu sei im Orient die Oase vorrangig gewesen, worum sich alles schart. In einiger bildhafter Verkürzung stellt sich der Kontrast der Kulturen also über diese Motive dar: das Licht und das Wasser. Mit dem markanten Unterschied des "Dazwischens". Weil man zwar im Wald überleben könne, wenn sich keine Lichtung finde. In der Wüste sei aber jeder, Freund oder Feind, gleichermaßen dem Tode geweiht, wenn sich kein Brunnen findet.

[Wir Kinder des Kalten Krieges]

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