1. Juni 2006 Der
Alltag stößt einen immer wieder auf ganz erstaunliche Werke, in denen sich ein
irritierender Gestaltungswillen ausdrückt. In Weiz steht dieser Pontiac im radikalen
Ratten-Look. (Rückleuchten wie Lichtdurchlässe in Badezimmern der 1970er-Jahre.)
Als besondere Markierung an mehreren Stellen
das "Eiserne Kreuz". Eine deutsche Kriegsauszeichnung, die der preußische
Friedrich Wilhelm III gestiftet hat. Im Ersten Weltkrieg und bei den Nazi war das EK
ebenfalls als Auszeichnung in Gebrauch.
Die Bundeswehr Deutschlands hat es
schließlich als Hoheitszeichen eingeführt. Liest man auf diesem Auto aber das
"Kleingedruckte", zeigt sich, was man unter "Praxis des Kontrastes"
verstehen könnte.
Diese quasi-nationalistische Pose ist
irgendwie rührend. Und das Auto wenigstens alt genug, daß halbwegs verläßlich noch
kein koreanischer Motor drinnensteckt. So schaut ja heute die "americanische
Power" in der Realität zuweilen aus. (Was vermutlich sehr für Korea spricht.)
"Americanische Power" heißt zur
Zeit ja, genau genommen, daß eine entnervte Soldateska anläßlich Verkehrsunfällen
Zivilisten totschießt. Vom Foltern und Folternlassen ganz zu schweigen. Und das Tollste,
amerikanische Waffenträger scheuen sich nicht, Kinder in den Militär-Knast zu stecken.
Ich habe einen Sohn im Alter dieser Opfer. Ich
kenne die Emotionalität, das Suchen, Fürchten und Hoffen, die physische Präsenz und die
Herzschläge eines solchen Kindes also ganz genau. Selbst wenn ein Kind als Akteur in
Gewalttaten verwickelt gewesen wäre, wir wissen zum Beispiel von zehnjährigen
Kindersoldaten in Afrika, die Kalaschnikows auf Menschen abfeuern oder Schwächere mit
Messern und Knüppeln töten, selbst wenn 13- bis 15-Jährige in solche Taten verstrickt
gewesen wären, dürfte doch kein Mensch von demokratischer Gesinnung auf die Idee
verfallen, solche Kinder in den Militär-Knast zu schaffen.
Amerikanische Waffenträger tun sowas
offenbar. Diese Leute sind Barbaren! Ein Alptraum. Samt ihrem stammelnden Prediger im
Weißen Haus.
Gerade WEIL ich ein Kind der Nazi bin, weiß
ich sehr genau, was unter Garantie NICHT Demokratie ist. Denn ich habe den Kontrast aus
erster Hand erfahren, von teils unverbesserlichen Faschisten.
Definitionsmacht. Wie kann eine Geschichte
verkauft werden? Ich habe das gestern
thematisiert. Am Beispiel Peter Handkes. Sollte sich belegen lassen, was er gesagt haben
soll, muß man ihm wohl einiges um die Ohren hauen. Falls es stimmt, daß er das
Nato-Bombardement in Serbien als "ein Auschwitz" bezeichnet hat, ist das eine
obszöne Blödheit. Denn Auschwitz hat für solche Vorfälle keine Referenz zu sein und
ist allein schon in seinen Hintergründen und Intentionen nicht vergleichbar.
Falls es stimmt, daß Handke gemeint hat, das
serbische Volk habe "mehr" gelitten als "die Juden", ist das eine
unerträgliche Verfehlung, die auf jede intellektuelle Redlichkeit verzichtet. Allein
schon, weil "das Leiden eines Volkes" nicht quantifizierbar und hierarchisch
ordenbar ist. Und auch hier, weil ein Relativieren der Schoah, also ein in Relation setzen
zu anderen Untaten, nicht zulässig ist.
Gerade deshalb scheint mir diese Zuschreibung
auch so irritierend. Handke hat das Peinigen eines Einzelnen als maximales Unglück
herausgestellt. Diese Hochrechnerei leuchtet mir nicht ein. Aber das läßt sich ja
klären. Über Quellenlagen.
Ich zitieren noch einmal aus "Rund um das große Tribunal",
diesmal den vorletzten Absatz:
Was ist also "die Wirklichkeit"
jenseits der durch Medienanwendung generierten Realität? Und wie verhalten sich diese
beiden "Systeme" zu einander? Daß Dichter und Journalisten darin mitunter
divergierdende Auffassungen haben, liegt nahe. Darum: Augenschein? Quellenlage?
Anders gefragt: Was gibt es heute über den
Sezessionskrieg Jugoslawiens zu wissen? Und wo kann ich es lesen?
[Zu
Peter Handke]
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