31. Mai 2006

Lustig! Wie offen auf dem Boulevard Definitionsmacht beansprucht wird. Wie unverblümt Crews, die sich keiner Wahl stellen müssen, die keiner demokratischen Legitimation bedürfen, im Geschäft der Realitätserzeugung auftreten.

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Meine eigene Erfahrung ist: Ein "Krone"-Journalist hatte keine Bedenken zu lügen, die vorgefundene Realität nach seinem Geschmack umzuschreiben, Dinge zu behaupten, die es nicht geben konnte. Das meint konkret, ich hatte Gelegenheit, in einer Ausgabe nachzulesen, wie dieser Halunke mich auf der Intensivstation interviewt hat. Während ich im Koma lag. Wie er das zuwege gebracht hat, bleibt ein gut gehütetes Geheimnis.

Die Lüge habe ich schwarz auf weiß. Und da ging es noch nicht mal um was. Ein halbtoter Motorradfahrer. Nichts was auch bloß eine nation, geschweige denn die Welt bewegen würde. Das liegt ein Weilchen zurück. Eine Erfahrung, die zur Wachsamkeit anregt.

Aber es wird auf dem Boulevard so plump verfahren, man muß nicht rasend wach sein, um das zu bemerken. Vor knapp einem halben Jahr konnte man sich rund um die angeblichen "Porno-Plakate" (kein Porno, keine Plakate, aber eine Erregung) anschauen, wie Realitäts-Exekutoren der "Krone" ihr Handwerk betreiben: unredlich. (Siehe die Dokumentation!) Vor dem Hintergrund solcher Merkwürdigkeiten kocht seit Jahren ein Konflikt rund um den Autor Peter Handke.

Ich stelle mir ja nicht vor, die Medienbranche sei durchgängig dem Lügengeschäft verpflichtet. Nein. Aber auf dem Boulevard herrschen Modi, die gelegentlich auch in sogenannte Qualitätsblätter durchschlagen. Manche Häuser, wie der ORF (der öffentlich-rechtliche Rundfunk Österreichs), haben sich so sehr politischer Gängelung hingegeben, daß sogar schon Konservative stöhnen.

All das dreht sich um Einflußmöglichkeiten. Um Positionen in den öffentlichen Diskursen. Um Definitionsmacht. Wer darf sagen, was was ist?

Einschub!

In Handkes Buch "Rund um das große Tribunal" findet man auf Seite 55 folgende Passage, die eine Schilderung vom Juni 1992 wiedergibt. Serbische Paramilitärs massakrieren unbewaffnete Moslems:

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Naja, wenn SO das Leugnen serbischer Kriegsgreuel geht, dann hab ich irgendwas an der Geschichte nicht ganz verstanden ...

Einschub Ende!

Es scheint verbürgte Statements von Handke zu geben, die sind unannehmbar, brüskierend, ja sogar obszön. Ich bin da mit der Quellenlage noch nicht weiter gekommen. Da fände ich die Kompetenzen von Medienleuten sehr hilfreich. Wenn sie mit Quellenangaben ins Boot kämen. Dann könnte man solche, wie ich höre, Ungeheuerlichkeiten einer Kritik unterziehen.

Ansonsten scheint allerhand Kolportage das zu überlagern, was durch simple Recherche (wie sie jeder frische Voluntär in einem Sommer erlernen muß) auf den Tisch zu bringen wäre.

Hans Peter von Transsylvanien, der mir schon einige Einwände zu meinen Ausführungen in Sachen Handke übermittelt hat, sandte mir grade einen interessanten Link auf einen Artikel von Thomas Steinfeld. Der da unter anderem schreibt:

>>Wenn die Düsseldorfer Lokalpolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann behauptet, Peter Handke habe "Mord, Vertreibung, Massenfolter und Vergewaltigung" relativiert, dann irrt sie. Ebenso Fritz Kuhn, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, wenn er kolportiert, Peter Handke habe Slobodan Milosevic verteidigt.<<

Er empfiehlt implizit, etwas mehr von dem zu lesen, über das man, unbesehen, urteilt. Und folgert zwischendurch:

>>So kommt einiges zusammen: fehlende Sachkenntnis, Mangel an Anstand und Urteilsvermögen, Opportunismus. So groß ist der nun durch haltloses Quatschen eingetretene Schaden, dass es schon kaum mehr lohnt, nach einzelnen Fehlern zu suchen.<<

Das ist ein vielleicht wichtiges Stichwort. Uwe Wittstock, dessen Artikel in der "Welt" ich vorgestern zitiert habe, schrieb mir auf meine Einwände:

>>Sicher, wir Journalisten sind nicht immer perfekt, wer ist das schon. Wir machen Fehler. Aber die inzwischen zahlreichen politisch skandalösen Äußerungen Handkes in der Jugoslawiensache summieren sich zu einer klaren Diagnose: Er ist politisch unzurechnungsfähig, und das sollte man nicht auch noch öffentlich pärmieren.<<

Das könnte man so aufnehmen:

Es wäre also zu klären, ob der Medienbetrieb sich vielleicht längst auf notorische Art Fehler leistet, die den selbstgewählten Regeln und geschätzten Usance spotten. Sowas ist verifizierbar.

Es wäre also zu klären, was HEUTE auf vertretbare Art als "Das Politische" gelten kann. Und welches Verhalten damit vereinbar ist, welches nicht.

[Zu Peter Handke]

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