17. Mai 2006 Der
Kunstbetrieb. Contenance. Ginge es darum? Es gibt Vorbringungen, die machen mir, wie man
so sagt, einen geschwollenen Hals. Obwohl es zu akzeptieren gilt, daß auf dem Kunstfeld
Antwortvielfalt gesichert sein muß. Ich hab gestern
erwähnt, daß eine Einladung auszuschlagen war. (Eine andere war anzunehmen.)
Mein Unmut entzündet sich an jener Betulichkeit, die einer
genauen Nachfrage kaum standhalten würde. Wo offenbar mit glühendem Eifer "das
Gute" gesucht, gewünscht und daher salopp behauptet wird. Was dann etwa so
daherkommt.
"Kunst entdecken, Kunst erleben, Kunst
erzeugen beim Interaktions-Kunstwettbewerb für bildende KünstlerInnen. Gewinnen werden
alle, das Land, die Stadt Graz, die KünstlerInnen (Qualität setzt sich auch in diesem
Kunterbunt durch), die Klassengemeinschaften die sich in den Schulen vorbereiten, die
sozialen Randgruppen die sich immer freuen, wenn wir gemeinsam Kunst machen, die Passanten
die sich inspirieren lassen, und und und ..."
(Ich verschweige die Quelle ausnahmsweise.) Allein
die Behauptung "Kunst erzeugen" zu wollen schreit nach einem nassen Malfetzen.
Kunst "machen" zu wollen erscheint mir als ebenso abstruse Vorstellung wie Liebe
"machen" zu wollen. Beides hat was von verschwitzten Phantasien, hat mit
Realitäten nichts Vereinbares.
Künstlerische Praxis als Additiv einer hinkenden
Sozialpolitik, da wird mir schlecht. Gut. Antwortvielfalt!
Intentionen. Ästhetische Erfahrungen. Handwerkliche
Ansprüche. Themen. Diskurse. Prozesse. Das Abklopfen von und mit Kriterien. Die
geharnischte Auseinandersetzung mit dem gerade vorherrschenden Kanon. Das muß nicht allen
ein Anliegen sein. Und es ist keineswegs umfassende Bedingung des Eingehens "in die
Kunst".
Aber ich muß mir wenigstens selbst Auskunft geben können,
welche Aspekte meines Tuns ich als politisch anwesender Bürger forciere, was dem sozialen
Wesen in mir geschuldet ist und was der Künstler seiner Kunst widmet, ohne es der Res
publica vor die Füße zu werfen. ... Qualität die "sich durchsetzt"? Was soll
denn das sein?
Cut!
Ich hab oben erwähnt, daß eine Einladung anzunehmen war.
Die übrigens auch, nicht ganz zufällig, "meinen Dämon" Vogeltanz erreicht hat. Övül
Durmusoglu von der "Malmö Art Academy" kuratiert Exociti.
"The projects main orientation is questioning
stereotypes of thinkings about Istanbul, which is a city between east and west. In Europe,
many people perceive find it Istanbul as very exotic, it is the closest east to the west.
But then what comes from the east gets represented as problems and disorder to them. So
phantasies about exoticism and prejudices of discrimination are produced by this same
thinking. Moving from that framework, Exociti is envisioned to produce visual layering or
layers in the city urging people to think about the prejudices about the culture they are
living in, reminding them of the subconscious working behind this image of Istanbul in
their minds."
Da wird also vor Ort an dem Phantasma "Orient /
Okzident" zu arbeiten sein. Somit erweist sich nun meine Themenlinie "Wien --
Beograd -- Istanbul" auch im realen Bespielen vollständig. [Notiz]
Cut!
So viel scheint nun klar, es war gestern erahnbar. Österreichs Innenministerin hat auf höchst
unredliche Weise Schlagzeilen über Muslime produziert. Es sind keinerlei Kriterien
genannt. Es sind vorelige Schlüsse gezogen. Madame mochte eine Auswertung der Erhebung
nach Grundregeln abendländischer Wissenschaftlichkeit nicht abwarten. Die
"Realpolitik" verzichtet auf Prüfung, behauptet einfach ... Das sind Praxen,
die wieder Richtung Kalter Krieg weisen.
(Quelle: "Der Standard")
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