20. April 2006

Das war so eine Reminiszenz. Gestern. "Darußdakummt" ... "Der Ruß, der kommt". Der dann nicht kam. Aber mit dem Bedrohungsbild, mit dieser Vorstellung hatten wir uns gut eingerichtet. Daß es zwei Seiten gebe. Eine gute und eine böse. Auch: Daß wir zu den Guten gehören und "die Roten" zu den Bösen. Naja.

Ursprünglich, Mitte der 1940er-Jahre, hatten Leute wie der britische Stabschef der Luftwaffe Charles Portal empfohlen, Deutschland zu zerstückeln. Großbritannien war von Hitlers Horden so verwüstet worden, daß man dort in einem starken Deutschland "die größte Gefahr der Geschichte" sah. (Rolf Steininger) Zehn Jahre später war die Welt anders geordnet.

Der Begriff "Eiserner Vorhang" wird unter anderem Winston Churchill zugeschrieben, der 1946 in Fulton, Missouri, eine Rede gehalten hat, in der er meinte, von Stettin an der Ostsee bis nach Triest an der Adria sein ein eiserner Vorhang über dem Kontinent heruntergegangen. Ich bin zehn Jahre später zur Welt gekommen.

1979 wurde in Wien von Carter und Breschnew SALT II unterzeichnet. Die "Strategic Arms Limitation Talks" bedeuteten das Zurücknehmen unser aller Bedrohung durch Atomwaffen. Dieser Abrüstung an Hardware mußte eine Abrüstung der Feindbilder folgen, die keine vergleichbar markante Inszenierung erhalten hat.

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1989 fiel die Berliner Mauer. Autor Wolfgang Siegmund hatte mir ein Stück davon mitgebracht. Ein Bruchstück, das ich mir aufbewahrt habe, weil es einen Bruch in jener simplen Ordnung der wechselseitigen Herabwürdigung repräsentiert, die meine Kindheit und Jugend geprägt hat. 1991 wurde der Warschauer Pakt aufgelöst.

Wie viele Menschen haben aus diesen Prozessen heraus begriffen, daß eine bipolar gedeutete Welt extrem gefährlich ist? Wie klar mußten wir sehen, daß wir den ganzen Planeten aufs Spiel setzen, wenn wir "Gut und Böse" in dieser Zweiwertigkeit ganzen Nationen relativ beliebig zuschreiben?

Also durfte man schon in den 1970ern ahnen: Das wird vor allem eine große kulturelle Aufgabe sein, die Welt von solcher schwarz/weiß-Deutung zu entlasten und diesen dualen Erklärungsmodellen zu mißtrauen: Ost und West / christlich und moslemisch / römisch-katholisch und griechisch-orthodox etc. als Marker für die "Gut-Böse-Zuschreibung".

Nun beginnt das also von vorne. Oder es hat nie aufgehört. Zeit für einen neuen Eisernen Vorhang? Diesmal nicht bloß auf einem Kontinent, sondern gleich rund um die Welt? Zeit für ein neuerliches "Gleichgewicht des Schreckens"? Atomar gerüstete Armeen gegen Divisionen von Selbstmordattentätern?

Das darf ja nicht wahr sein! Europa im 20. Jahrhundert handelt vor allem von dieser Lektion: Jedes Massaker beginnt mit einem Krieg der Worte. Das haben unsere Journalsiten und Schriftsteller Ende des 19. Jahrhunderts voexerziert. Der Weg führte über den Ersten sehr flott zum Zweiten Weltkrieg. Auch da war die Medienbranche eine Vorhut der Massaker gewesen, hatte gewaltbereiten Politikern zu großer Recihweite verholfen.

Zum Ende des 20. Jahrhundert haben unsere südslawischen Nachbarn diesen Zusammenhang noch einmal aktiv überprüft. Das Ergebnis: Neue Massaker. Wäre aus all dem nicht zu schließen, daß wir zu allererst den Brandrednern rund um die Welt in die Arme fallen müssen, um Massaker zu verhindern? Erkennt man sie nicht vor allem daran, daß sie uns neuerlich eine bipolare Welt aufschwatzen wollen?

[Wir Kinder des Kalten Krieges]

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