10. April 2006

Sowas sickert in meinen Alltag. Fällt mir nur gelegentlich auf. Daß da eine Branche an der Arbeit ist, im Geschäft der Realitätsherstellung, von der mir die Welt permanent umgeschrieben wird. Ohne daß dieser Teil des Geschäftes wesentlich zur Debatte stünde. Ich meine: Wie kann einem das einfallen? "Löffelfest".

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Nein. Wie könnte man das zurückweisen? Nachdem "Trinkjoghurt" auf den Markt gewuchtet wurde, muß jenes, das nicht getrunken, sondern mit dem Löffel gegessen werden mag, schließlich benennbar sein. Also: "löffelfest". So geht das ... Ein Deutungsgeschäft. Eine Frage von Definitionsmacht.

Es ereignen sich in meiner Küche natürlich auch ganz andere Dinge. So habe ich noch nie zuvor eine Birne in solchen Farben gesehn. Wäre ich ein Maler, hätte ich da ein Motiv gefunden. (Erschließt sich daraus, was mit dem Wort "malerisch" gemeint sein könnte?)

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Das sind jetzt bloß einige Beispiele, wovon eigentlich der Begriff "Ästhetik" handelt. Eben nicht nur davon, was "das Schöne" sei, sondern auch davon, was uns die Wahrnehmung vermittelt. Und darin liegt eine Merkwürdigkeit. Man könnte sagen: wahrnehmen kommt von wahrnehmen.

Da ist etwas strikt Rückbezügliches, das zum Wachsen von Möglichkeiten führt. Ich habe am 5. und 6. April das bemerkenswerte "Künstlerische Manifest" des "Tomax" erwähnt. Das seinerseits, darauf bezug nehmend, auf Betrachtungen über die Kunst des Geschäftsmannes Hannes Krois hin gedruckt worden war.

"Leider ist heute nicht Kunst eine Kunst." So hatte Krois seinen Ausfall gegen zeitgenössische Kunstformen eingeleitet. Wobei ihm "Tomax" sekundierte: "Wo man für jede ungustiöse Grauslichkeit sogar den höchsten Staatspreis erhält."

Das freihändige Räsonieren, in dem auf Belege und Kriterien verzichtet wird, wirft ein paar Fragen auf. Zum Beispiel, ob denn das nun ein Ausdruck konservativer Haltung sei, was die beiden Herren hier vorbringen. Ob man sich so einen "Konservativen" vorstellen soll?

Wer ein Konservativer ist, wünscht etwas zu erhalten. Darüber erfährt man aus den Stellungnahmen der Herren nichts. Was das zu Erhaltende sei, das sie gegen die von ihnen vorgebrachten "Übel" zu verteidigen wünschen. Ich unterstelle, daß sie keine Konservativen sind. Weil sie noch gar nicht Gelegenheit gefunden haben, sich auf dem Kunstfeld etwas von dem anzueignen, was sie hier zu schützen den Eindruck erwecken möchten.

Wie geht denn das nun, ein Konservativer zu sein?

Ich hab in meiner Bibliothek ein sehr anschauliches Beispiel gefunden, wie ein Konservativer seine Position gegen neue Strömungen und neue Akteure mit Schanzwerk umgibt und von da zu feuern beginnt. Was er zu konservieren wünscht, davon handelt das ganze Buch: "Betrachtungen eines Unpolitischen" von Thomas Mann. Der kleine Ausschnitt illustriert sein Räsonieren:

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Naja, den Herren wünscht man sich nicht als Rezensenten. Thomas Mann würde wohl wenig auf diese "Tomax"-Forderung geben; nach: "Künstler(n) deren außerordentlichen Fähigkeiten in ihren Werken für Jedermann klar verständlich sind."

Allerdings, das muß zumindest angemerkt werden, sind ja seit rund zweitausend Jahren Texte erhalten, in denen genau das zur Debatte steht. Ob denn nun in Fragen der Kunst eher der exklusive Geschmack erlesener Kennerschaft oder das allgemein einfach Verständliche und Zugängliche vorzuziehen sei. (Die Debatte steht bis heuite auf unentschieden.)

Warum hab ich denn nun eingangs das Werbegeschäft als Expositur der "Kreativindustrie" erwähnt? Das Dekorationsgeschäft blüht. Die Simplifizierung hat ihre geschäftstüchtige Gefolgschaft. Warum sollte sich die Kunst diesem Genre verbünden? Krois und "Tomax"finden jeden Tag reichlich um sich herum, was sie in ihren Texten verteidigen. Es macht mir keinen gefährdeten Eindruck ... Ich sage nur: löffelfest!

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15•06