23. März 2006
Regisseur Harald Friedl bei der
"Diagonale", das war gestern die Premiere seines Dokumentarfilmes "Aus der Zeit".
Eine ruhige und äußerst präzise erzählte Geschichte über "das Verschwinden von
einem Stück urbaner Kultur" durch das Schließen einiger alteingesessener
Einzelhandelsgeschäfte. Nochmals kommenden Sonntag im Grazer Schubertkino ...
Cut!
Bei unserer Station "Langsamkeit:
Tee trinken" standen zwei Künstler im Zentrum unseres Interesses. Der Autor
Ryunosuke Akutagawa und der Regisseur Akira Kurosawa.
Kurosawas "Rashomon" zählt zu den
Meisterwerken des Films im 20. Jahrhundert. Er basiert auf zwei Erzählungen von Akutagawa.
"Rashomon" und "Im Dickicht". In der zweiten Geschichte sorgt ein
getöteter Samurai für Mutmaßungen, Erhebungen, Aussagen:
Anfangs befragt der Untersuchungsrichter einen
Holzfäller. Dann einen Priester, dann noch etliche andere Personen, die irgendwie in den
Vorfall verwickelt waren. Keine der Geschichten deckt sich mit den übrigen. Zuletzt
spricht sogar der Getötete selbst, ohne Klarheit in die Affäre bringen zu können. In
der Kunst sind solche Verfahrensweisen Geschehenes zu ergründen ganz selbstverständlich.
Das alles bedeutet ja nicht, es wären Täter
und Opfer kaum dingfest zu machen, wenn Greueltaten geschehen sind. Diesen Fragen widmen
sich gewöhnlich unsere Gerichte, um in Verfahren mit mehr oder minder erprobten Regeln zu
Urteilen zu kommen.
Der Journalismus hat seine ganz kraftvollen
Auftritte im Ringen um Definistionsmacht. Wobei die nahe Vergangenheit von der Novität
des "embedded Journalism" geprägt ist, vom "eingebetteten
Journalismus". Was bedeutet, vorherrschende Regime bemühen sich, journalistische
Fachkräfte unter Kontrolle zu bekommen. (Ja, auch in Demokratien.) Es erheben sich also
sehr verschiedene Stimmen zu Deutung von bewegenden Vorgängen.
Zurück zu Akutagawa. Es belegen also nicht
nur unsere, sondern auch andere Kulturen ein starkes Interesse der Menschen, verschiedene
Seiten zu hören, um aus differenzierten Sichtweisen Eindrücke zu gewinnen, was geschehen
sei.
Für die Kultur Europas hat das schon
Aristoteles in seiner Poetik angelegt. Als er der Tragödie zuschrieb, daß sie durch das
Erregen von Furcht und Mitleid zur Katharsis des Publikums leite. Indem sie handelnde
Menschen zeigt, die zu Wort kommen. Die Tragödie ist den Konflikten gewidmet. Unter
Katharsis versteht man die Reinigung der Leidenschaft durch Furcht und Mitleid.
Ich ziehe es vor, verschiedene, auch einander
widersprechende Stimmen anhören zu können. Es ist mir suspekt, wenn jemand
niedergebrüllt wird. Ich berufe mich in dieser Position auf die kulturelle Tradition des
Abendlandes, die schon in der griechischen Tragödie genau das forciert hat: alle
Beteiligten eines Vorfalles sollen gehört werden.
Natürlich erzähle ich hier, auf Umwegen,
auch über Handke. Nein. Über die Auseinandersetzung mit ihm. Die ungeheuerliche Blüten
treibt. Wie etwa jene, da Hans Rauscher im vergangenen Sommer Handke als einen Fall für
ein Verbotsgesetz vorgeführt hat, ihn explizit in die Nähe von Nazi rückte, weil er
angeblich leugnen, verharmlosen und entschuldigen würde, was an Kriegsverbrechen der
serbischen Seite angelastet werden muß. (Siehe diesen Eintrag!)
So lange man mir keine Quellen nennen kann,
die solche Unterstellungen belegen, bin ich in dieser Sache auf der Seite der Tragödie.
Und auf der Seite des schwierigen wie jähzornigen Handke. Der ja unübersehbar tief in
diese Tragödie hineingegangen ist, vielleicht in große Befangenheit geriet, sich
verstrickt hat ... das schließe ich alles gar nicht aus. Aber! Es besteht erheblicher
Klärungsbedarf. Die Klärungen fehlen noch.
Für die Vorverurteilungen, die ich laufend zu
lesen bekomme, ist man mir momentan noch die Beweise schuldig. Die Texte und Textstellen,
mit denen sich törichte Befunde wie der folgende untermauern ließen:
>>"Nibelungentreue", definiert das
Internet-Lexikon Wikipedia, ist eine Form blinder, emotionaler Treue. Eine solche bringt
der österreichische Dichter Peter Handke dem verstorbenen serbischen Ex-Präsidenten
Slobodan Milosevic entgegen.<< [Quelle: Wiener Zeitung vom 21.3.06]
[Zu
Peter Handke]
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