21. März 2006

Heut beginnt in Graz die "Diagonale". Ein Filmfestival. Wo morgen um 20 Uhr im Annenhofkino (und am 26. März, um 11 Uhr, im Schubertkino) ein neuer Film von Harald Friedl zu sehen sein wird: "Aus der Zeit". (Siehe auch Eintrag vom 4. März!)

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Während der Salzburger auf dem Weg nach Graz ist, sind zwei aus Graz (Redi & Redi) auf dem Weg nach Kumamoto. Das klingt in der Tat ... nach Japan. Bei der "Caadria 2006" geht es um Forschung und Architektur.

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Andrea Redi von "ortlos architects": "Unter anderen werden wir W. Mitchell treffen und ihn natürlich versuchen für das Projekt zu gewinnen!" (Was das "City Upgrade" meint.)

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Europa ist nach wie vor in einer Manier des Kalten Krieges codiert. Dieses Code-System basiert auf den Konzepten von Nationalisten des 19. Jahrhunderts. Das als "langes 19. Jahrhundert" interpretiert wird. Weil es in der Geschichtsschreibung stellenweise erst mit dem Ersten Weltkrieg als abgeschlossen verstanden wird.

Mich interessieren vor allem zwei Linien dieser Codierung. Codes der Zeichen und Bilder. Codes der Erzählungen und Legenden. Beide spielen maßgebliche Rollen im Erschaffen von "Öffentlichen Angelegenheiten". Die "Res Publika" stützt sich auf Legenden der Legitimation. Wie sich auch Kaiser und Könige durch Legenden legitimieren mußten. Und Diktatoren. Was wären nun Schritte eines "Next Code" von Europa?

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Codes und Definitionsmacht. Wie wird Europa erzählt? Aus welchen Farben entstehen die Kontraste? Wo verlaufen die Grenzen in den Polaritäten. Aber! Die Augen der Kombattanten lassen keine Klärung mehr zu, welcher Seite jemand angehört ...

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Was für ein Thema! Welche Headlines! Die Beerdigung von Slobodan Milosevic. Und Handke ganz nahe dran (Quelle: "Kleine Zeitung"). Die Gewichtung der erscheinenden Kommentare überrascht mich nicht.

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Nun denke ich: Nehmen wir einmal an, Handke hatte mit Milosevic Freundschaft geschlossen. Weil ... na, aus welchen Gründen auch immer. Darf man das? Darf man mit einem Tyrannen, mit einem mutmaßlichen Kriegsverbrecher Freundschaft schließen?

Die Frage müßte eigentlich lauten: Darf man das NICHT? Und falls man es nicht darf: Warum nicht? Ich wäre sehr interessiert, zu erfahren, welche Gründe sich dazu vorbringen ließen. (Feedback erbeten!)

Es wäre weiter zu fragen: Hieße mit einem Täter befreundet zu sein, man würde auf diese Art seine Taten gutheißen? Falls ja, sag ich: Aha! Sehr interessant! In dem Fall würde ich gerne wissen: Wie konstituiert sich dieser Zusammenhang?

Nun liegen mir weder Handke noch Milosevic am Herzen. Aber es beschäftigt mich sehr, wofür sie zu stehen haben. Wovon diverse Headlines seit Jahren erzählen. Bei all dem interessiert mich dann auch, wovon diese Headlines NICHT erzählen.

Der Journalist Alexander Orssich schrieb im Artikel, zu dem die oben gezeigte Headline gehört, beispielsweise:

log662b.jpg (16744 Byte) Ich nehme mal an, das ist vor allem einmal schlampig formuliert. Um nicht unterstellen zu müssen, daß das tückisch geschrieben ist. Denn würde ich Herrn Orssich das genannte Buch auf den Tisch legen, ließe sich leicht zeigen: tatsächlich erwähnt Handke in diesem Buch serbische Menschen als Opfer des Krieges. Und er beschreibt andere als Täter, nennt die Taten.

Diese beiden Kategorien werden in dem Buch nicht gegeneinander gestellt, nicht gegeneinander aufgerechnet. Schon gar nicht im Sinne einer Schmälerung der Kriegsverbrechen. Hätte Orssich es ein wenig seriöser gemeint, könnte er so eine Formulierung unterlassen: "die Serben". Könnte er mindestens differenzieren, daß da ein Volk ist, in dem Menschen sehr unterschiedliche Positionen hatten.

In welchem Kontext findet man die Täter? Sind sie Teil eines Volkes, zu dem auch Schuldlose gehören? Na, das müßten ausgerechnet WIR doch wissen. Wie das zusammengeht. Ein Regime, eine Armee, Polizeieinheiten, paramilitärische Verbände, Mitläufer. Und Opfer. Innerhalb eines Volkes.

Warum unterstellt Orssich also derart plump etwas Anrüchiges, wenn er Handke vorhält, daß er im serbischen Volk auch die Opfer erwähnt? Es ist unredlich, zu unterstellen, dieses Buch und sein Folgeband ("Sommerlicher Nachtrag zu einer winterlichen Reise") würde Täter zu Opfern stilisieren. Man wird in keinem der Bücher auch nur eine Passage finden, mit der sich diese infame Unterstellung belegen ließe. (Ein preiswertes Suhrkamp-Taschenbuch, das drei Bücher zusammenfaßt, bietet Gelegenheit, sich selbst Eindrücke davon zu verschaffen.)

Was tut also Handke genau, wenn er, wie Orssich als zwielichtig andeutet, "Serben als Opfer des Krieges bezeichnete"? In "Die Tablas von Daimiel" schildert er eine serbische Mutter, deren getöteter Sohn ihr im Traum erscheint, darin Hunger leidet, und diese Mutter daran verzweifelt, daß sie ihrem Kind den Hunger nicht stillen kann.

[Zu Peter Handke]

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12•06