6. März 2006
Ich bin beeindruckt. So geht Zivilisation. Denn dies ist ja
genau so ein Winter, wie er jahrelang in diversen Klagen vorgekommen ist: Wir haben keinen
richtigen Winter mehr. Was da von Samstag Nacht über den Sonntag an Schnee
dahergekommen ist, war mehr als knöcheltief.
Als ich heute morgen aus dem Fenster sah, sind die Straße
und der riesige Parkplatz darunter geräumt gewesen. Was für sich schon eine erhebliche
Leistung an Nachtarbeit ist. Man darf annehmen, daß auch der Rest der sanft urbanisierten
Kleinstädtigkeit ungefähr so aufgeräumt erscheint. Welche Annehmlichkeit!
Wo doch alles hier so verwinkelt ist. Und nicht geglättet,
wie es der Autor Thomas Glavinic, in
Gleisdorf aufgewachsen, sich zurechtträumt. Wie man eben im "Standard" lesen konnte: "Wenn
...
Ich ahne, welche Empörung solche Statements hier auslösen
können. Falls sich Honoratioren und ihr Anhang solchen ironischen Einwänden einmal
ernsthaft zuwenden würden. Denn gerade noch so, aber kaum in ernster Zurückhaltung
könnte man zur Sprache bringen, daß gewissermaßen, wie sag ichs nur, zwischen Denken,
Sagen und Tun in dieser Erwachsenenwelt ganz erhebliche Diskrepanzen bestehen.
Da erweist sich das Wacheln mit Wertekatalogen als
dekorative Haltung, mit der meist Inhalte simuliert werden, die einzufordern einem
schlecht bekommt. Ich komm nach all den Jahren aus dem Staunen immer noch nicht heraus,
wenn ich Hintergrundgeschichten zu hören bekomme. Wie das in der Erwachsenenwelt so
läuft. Was mich freilich nicht dazu bewegen kann, ein Kulturpessimist zu werden.
Ethos. Was war damit gemeint? Franz Schuh hat es so
ausgedrückt: "Ethik ist die Solidarität der Sterblichen." Erscheint mir
lohnend, ein wenig darüber nachzudenken, was er damit gemeint haben mag.
Cut!
Wenn im alten Griechenland von "Privatleuten" die
Rede war, von Menschen, die sich weigerten, am politischen Leben teilzunehmen, kam der
Terminus "Idiotes" zur Anwendung. Unter Idiotes verstand man Menschen, die an
der Welt kein Interesse hatten und sich bloß ihren privaten Angelegenheiten widmen
wollten.
Zur Zeit drängt ein Verband dieser Art merklich in die
Öffentlichkeit. Was ein wenig widersprüchlich erscheint. Aber es macht, ganz pragmatisch
betrachtet, einigen Sinn, das Apolitische politisch zu bewirtschaften. Es läßt sich aus
den Apolitischen Geld und Geltung schlagen. Die Apolitischen als politische
Manövriermasse zu formieren und sich selbst dafür mit Budgets aus der Republik
auszustatten ... was für ein Geschäft!
Das geht, wenn man zu ausreichender Komplexitätsreduktion
bereit und in der Lage ist. Worin Österreich eine "Heimat" sein muß. Die gegen
andere (was ist eigentlich das Gegenteil von Heimat?) gesichert, verriegelt werden muß.
(Ist "die Fremde" das Gegenteil der Heimat?)
Ohne dieses nationalistische Konzept von Nation, ohne
rassistisches Rüstzeug dieses Konzeptes wären wir nicht nach Verdun gekommen, nach
Auschwitz, nach Srebrenica. Ohne dieses Hochrüsten in den Feindbildern wären der Haß
und die Menschenverachtung nicht denkbar, welche den Massakern zugrunde liegen.
Daß Europa solchen Positionen nach dem Zweiten Weltkrieges
abgeschworen hatte, darf man durchaus ernst nehmen. Daß im Kalten Krieg gleich die
nächste Aufwärmrunde dafür gelaufen wurde, halte ich für evident. Und nun?
[Wir
Kinder des Kalten Krieges]
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