1. Jänner 2006

Gleisdorfs Zentrum ist von einer zweispurige Einbahn durchzogen. Die rund um Weihnachten und um Neujahr zu betreten wesentlich spannender ist als Vorabend-Fernsehen. Parkplätze sind da knapp, entsprechend überlaufen und ... gebührenpflichtig. Was keine große Sache wäre, denn dies ist eine kleine Stadt, die zu durchqueren keine nennenswerten Gehzeiten aufwirft.

Anita Schloffer hat dort jahraus, jahrein einen harten Job. Diese Parkraumsituation zu überwachen. Sie erzählte mir gestern, daß sie in Gleisdorf längst weder einkaufen gehe, noch ein Café besuchen würde. Warum? Weil sie überall beschimpft würde. Von Ansässigen aus allen sozialen Schichten.

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Was einigermaßen deutlich illustriert, daß die Straße Kampfgebiet ist. Welches immerhin auch mal Raum für kuriose Plaudereien läßt. Wie mit diesem Passanten, der 40 Jahre Kraftwerksbau und Arbeit am Berg hinter sich hat. Woraus er die Gewohnheit beibehielt, im Auto stets festes Schuhwerk, eine winterfeste Jacke und eine Schaufel verfügbar zu halten. Zu jeder Jahreszeit. "Duraluminium. Damit kann ich auch Eis hacken."

Cut!

Die Sprachregelung "Sex-Plakate" oder "Porno-Plakate" hat sich nun offenbar in wenigen Tagen durchgesetzt. Nicht nur auf dem Boulevard. Die Zuschreibung findet man im "Standard" inzwischen ebenso, wie in den meisten anderen Blättern.

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Sozialdemokrat und Klub-Chef Josef Cap hat sich auf das Trittbrett der "Kronenzeitung" geschwungen und instrumentalisiert das Kunstthema für einen Ausritt gegen die ÖVP:

>>"EU-Sex-Plakate": Schüssel sagte bewusst die Unwahrheit<<
>>Der gf. SPÖ-Klubobmann Josef Cap bezichtigt Bundeskanzler Schüssel, in Zusammenhang mit der in der Öffentlichkeit unter dem Titel "Pornoplakate" diskutierten Affäre bewusst die Unwahrheit zu sagen.<< [Quelle]

Bemerkenswert sind die Vorhaltungen seitens exponierter Frauen, wie etwa der SPÖ- Bundesfrauengeschäftsführerin Bettina Stadlbauer oder der vormaligen Frauenministerin Barbara Prammer:

>>Prammer: "Herabwürdigend!" Alarm schlug auch die zweite Nationalratspräsidentin Prammer (SPÖ), die scharfe Kritik übte, wie hier "Frauen in sexistischer, herabwürdigender Weise öffentlich zur Schau gestellt werden".<< [Quelle]

Wie kommt sie zu solchen Befunden? Worin wurzeln solche Deutungen, die sich aus der Arbeit von Tanja Ostojic wohl nicht ableiten lassen? Die Künstlerin und Kuratorin Maria Grzinic schrieb 2004 unter dem Zwischentitel "Over-identification and incarnation" (Quellen) in einem Text unter dem der Headline "Tanja Ostojic: >>Yes it's Fucking Political ...<<":

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Ostojic geht so tief in die von ihr thematisierten und kritisierten Zusammenhänge, daß dieser Verdacht offenbar nahe liegt. Ihre radikalen Modi lassen sie anscheinend solche Mißverständnisse, wie sie gerade kursieren, in Kauf nehmen. Hochrangige Politikerinnen Österreichs illustrieren die Annahmen von Grznic.

Ich hab gestern geschrieben, nach meiner Auffassung ginge es hier gar nicht primär um die Freiheit der Kunst, sondern um Definitionsmacht und den Zugang zu wie den Zugriff auf öffentliche Räume und Diskurse. Themenlagen, bei denen, wie man sehen kann, für Frauen noch extra verschärfte Bedingungen herrschen.

1989 veröffentlichte der "Wiener Frauenverlag" eine Dokumentation des Symposions "Frauen, Gewalt, Pornographie" (Herausgegeben von Karin Rick und Sylvia Treudl). Darin schrieb Gisela Breitling:

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Möglicherweise wäre der Herrenpartie in der "Kronenzeitung" sogar zu danken, daß sie nachhaltigen Anlaß schafft, diese Themen und Zusammenhänge heute einmal mehr zur Debatte zu stellen.

Aber was bewegt Polit-Profis, sich so heftig und zielsicher an solchem Kontext vorbeizuschmeißen? (Knapp vorbei ist nun mal auch daneben.) Warum dieses Hinausdrängen mit Ansichten, die einer näheren Betrachtung und Prüfung nicht standhalten würden? Was tun die SPÖ-Leute so leichtfüßig auf dem Trittbrett der "Kronenzeitung"? Ich denke, Komplexitätsreduktion und Quote spielen dabei eine erhebliche Rolle.

Ich habe mir dazu etwas Interessantes erzählen lassen. Als ich vorgestern bei Inge und Franz Wolfmayr zum Essen geladen war. Beide sind im Sozialbereich tätig. Franz ist überdies Präsident eines einschlägigen Dachverbandes in der Steiermark. Er hat daher eine sehr stichhaltige Ansicht, wie unsere Generation in der "Realpolitik" aufgestellt ist.

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Da gebe es eben Leute, die denken ausschließlich in Kategorien von Sieg und Niederlage, sagte er. Also müssen sie sich durchsetzen, weil sie sonst als "Loser" dastünden. So sei dieses politische Establishment weitgehend orientiert.

Manche von den Profis seien auffallend nachtragend. Wenn man denen auch bloß sachlich widersprechen würde, könne man dadurch einen Feind gewonnen haben. Der drauf wartet, daß er einen früher oder später "erwische".

Sieg und Niederlage. Das ist also ein hartes Pflaster. Auf dem so manche, die sich in den Parteiapparaten hinaufgedient haben, ohne Rückhalt in einem "privaten" Leben oder Beruf dem Geschäft der Politik verschworen sind. Ich unterstelle hier einmal, daß die ganze Plakat-Aufregung unter anderem die Funktion hat, innenpolitische Problemlagen zu übertönen, zu bemänteln. Davon abzulenken. Es ist zugleich eine frische Kampfansage an Kunstschaffende im Lande.

Ich habe schon betont, hier finde ein Kampf statt, der Zugang zu und Zugriff auf öffentlichen Raum und Diskurs regeln soll. Kunstschaffende wurden eben energisch aufgefordert, sich im öffentlichen Raum und Diskurs zurückhaltender zu geben. Man können ihnen ja auch die Budgets bescheiden.

So lese ich das, wenn Politik und "Krone" die Abteilung "Vox populi" so fokussieren:

"Steuergeld für so einen Unsinn ausgeben" / "Für so etwas öffentliche Gelder auszugeben" / "Dafür also setzen wir unsere Steuergelder in den Sand" ...

Dabei verrät sich überdies der Schelm, der dabei das Thema "Presseförderung" unterschlägt. Der Antragsteller auf Steuergelder (Zeitungsherausgeber) läßt GEGEN Antragsteller auf Steuergelder (Kunstschaffende) mobil machen, um ihnen ihren MÖGLICHEN Anteil an Budgets und Definitionsmacht streitig zu machen. So sieht das, polemisch verkürzt, aus.

Wie man sich seitens der "Krone" um öffentliche Gelder anstellt, kann zum Beispiel hier nachgelesen werden: "Vorläufiges Ergebnis der Vertriebsförderung für Tageszeitungen gemäß dem Abschnitt II des Presseförderungsgesetzes 2004 im Jahr 2005": LINK

"Cato" & Co. verschleiern in ihren Erregungen, daß es naheliegend, normal und sinnvoll ist, wenn eine Nation öffentliche Gelder in Meinungsvielfalt und medial vermittelte Öffentlichkeit investiert. Es ist eines der Fundamente einer Demokratie.

Wovon diese Herrenpartie selbst in klingender Münze profitiert. Weil ihr eigenes Geschäft ihnen noch nicht genug abwirft. Samt "Arsch und Titten-Sektion" und reichlichen Porno-Angeboten im Kleinanzeigen-Teil ... "Oma, großbusig" / "Pornoschreie" / "75-jährige Strapsoma" / "Hardcoredomina" / "Transsexuell" / "Schnellsex!!!!!" / "Türkinnen" / "Sofortstöhnlinie" / "Ausländerinnen" / "Verdorbene Lehrerin, extraordinär" ...

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