29. Oktober 2005 Ich hab gestern
Stars und deren mickrige Derivate, die "Promis", erwähnt. Ich bekommen schnell
allergische Situationen, wenn es wo Star, Genie oder sogar Universalgenie heißt. Was
machen wir denn, falls etwa eine Sonja Kirchberger als Star gefeatured wird, mit einer
Marlene Dietrich? Da gehen einem ja die Begriffe aus.
Die Genie-Nummer ist ein Schatten aus meiner kleinbürgerlichen Kindheit. In dem ein
wenig ehrfürchtig gebebt wurde. Wie tröstlich, als ich zwar nicht im "Readers
Digest" meiner Eltern, aber in der nächstgelegenen Stadtbücherei Egon Fridell
entdeckt hab. Der vertrat, wenn ich mich recht erinnere, die Auffassung, Genies seien
langweilig. (Aber ich weiß seine Begründung nicht mehr.)
Peter Landerl macht dieses Genie-Getue in seinem Buch "Der Kampf um die
Literatur" nachvollziehbar. Er skizziert, in Berufung auf Pierre Bourdieu, jenes
Feld, auf dem heftig nicht nur mit verschiedenen Formen des Kapitals gehandelt, sondern
auch um Positionen gefochten wird. "Feld" und "Habitus" sind also
formelle Kategorien, Ausdruck einer Organisation, die mit drei Kapitalarten handelt.
Ökonomisches (Geld), soziales (Beziehungen, Ansehen) und kulturelles (Bildung) Kapital.
Das Feld wird dabei als ein "Prozeßraum der sozialen Auseinandersetzungen"
verstanden. Landerl erwähnt, daß Bourdieu der Literaturwissenschaft den Vorwurf macht,
es sei eine falsche Prämisse, Autoren unreflektiert als "schöpferisches Genie"
zu betrachten.
Ich hab selbst auch den Eindruck gewonnen, das primäre Geschäft ist eigentlich das
Fechten um Rang auf dem genannten Feld. Die künstlerische Praxis ist dabei die angenehme
Seite des ganzen Jobs. Landerl faßt zusammen:
Bei all dem bleibt doch unbestritten, daß einzelne Kunstschaffende
herausragenden Werke vorgelgt haben. Ich fand bei Stefan Zweig eine sehr berührende
Schilderung, welche Konsequenzen das zeigen kann. Davon erzähle ich später noch ...
Das Haus Stefan Zweigs, das er nach dem Ersten Weltkrieg in Salzburg erworben hatte:
"Aber es war nicht vorüber. Wir wußten es nur nicht."
Cut!
"Phishing". So nennt man den Versuch, jemandem private Daten herauszulocken,
um an sein Geld zu kommen. Ich hab jetzt schon drei Mails von jemandem bekommen, der den
Eindruck erweckt, er arbeite für die BAWAG. (Vermutlich nimmt man grade an, dort sei Geld
leicht zu bekommen, nachdem die 425 Millionen Euro für "Refco" vermutlich
abgeschrieben werden dürfen.) Man schrieb mir also:
Sehr geehrte Kundin,
Sehr geehrter Kunde,
Unser Staat ist in eine unangenehme Situation mit on - line - Banking geraten,
infolgedessen wurde uns einen Rat gegeben, alle on - line - Konten von unseren Bankkunden
zu überprüfen, um die "Tageskonten" zu bestimmen, die von den Missetätern
benutzt werden, um gestohlenes Geld von den Konten unserer Kunden waschen zu können. Wir
bitten unsere Kundschaften darum, eine Kontobestätigungsform, die sich auf unserer
offiziellen Web-Seite befindet, auszufüllen.
Die Konten, die bis zum 12.11.05 darauf nicht angegeben werden, werden bis zur
Feststellung der Voraussetzungen ihrer Eröffnung und Benutzung gesperrt. Dieser Prüfung
werden sich sowohl die Privatkunden, als auch die Firmenkunden unterzogen. [...]
Ich bin ja ganz gerührt, daß so simple Legenden bei den Leuten reingehn. Folgt man
nun dem angegebenen Link, sieht die Website so aus, als wäre man bei der BAWAG gelandet.
Da soll man nun seine persönlichen Konto-Daten eingeben, dank derer man abgeräumt werden
kann, daß es nur so staubt. Wer genau hinsieht, bemerkt freilich, daß die Domain nicht
"bawag.com", sondern "bowag.com" heißt.
Wer dann auch noch über das Menü "Ansicht" den "Quelltext"
ansieht, stellt fest, daß sich dort niemand die Mühe gab, Spuren zu verwischen. Wer
nämlich eine Webpage aus dem Netz speichert, um sie für seine Zwecke umzugestalten,
findet darin auf der HTML-Ebene genau so einen Hinweis, den die BOWAG-Gauner in Ihrer
Website belassen haben:
<!-- This document saved from
http://www.bawag.com/bawag/home/nav.html -->
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