24. August 2005

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Der Regen hat rund um die Stadt und auch mitten drin enorm angedrückt, erstaunlich, wohin überall das Wasser gelangt. Tagelang fuhren einem die Feuerwehren um die Ohren, ich habe mir erzählen lassen, sie seien über die Gemeindegebiete hinaus im Einsatz gewesen. Wer frei war und noch eine Pumpe hatte, fuhr hin, wo die Crew gebraucht wurde.

Gestern war mein Gang über die Felder auf weichem, schwerem Boden mühsamer als sonst und der Schlammgeruch hing überall fest. Im Industriegebiet nördlich von Gleisdorf sah ich eine verblüffende Vorrichtung zum Kauf angeboten:

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Bei meinem Kaufmann war das Wasser aus einem zu hohen Kanal vor dem Haus über den Abfluß einer Tiefkühltruhe ins Geschäft hinein gepreßt worden. Kaum mehr als eine Woche, nachdem Einbrecher die Schiebetüre auf unglaublich simple Art geöffnet hatten. Ich ließ mir das zeigen, es scheint sehr einfach zu sein, die Sperre zu überwinden.

Aber noch einfacher ist die Dumping-Nummer, von mir der Kaufmann erzählte. Ein Supermarkt, dessen Halle von etwa 400 bis 600 Quadratmetern mit gerade mal vier Personen besetzt ist, wovon nur zwei Vollzeitkräfte seien. Eine erstaunliche Preis- und Personalpolitik.

Was ich auch nicht wußte, daß man als Produzent "Ein-" und "Auslistgebühren" bezahlen muß, wenn man seine Ware bei einer Kette ins Sortiment bringen will. Das rückt in die Nähe von hundertausend Euro, bloß um sein Zeug mal in den Regalen zu sehen. Interessante Plaudereien, während die Überschwemmungen grade erst abebben ...

Cut!

Die Heftigkeiten, die der Stalker in meinen Alltag der letzten Woche gebracht hat, sind für allerhand Debatten gut gewesen. Was sein solle und was man meiden müsse. Was der Kunst geschuldet ist, was man schlucken müsse und was zurückgewiesen werden dürfe. Was nach links und was nach rechts gerichtet sei. Alles sehr anregend und erstaunlich, vor allem in dieser Bipolarität der (politisch?) da und dort aufgestellten Ansichten, Ausgangspunkte etc. etc.

Wohlgemeintes und Mahnendes hat mich erreicht. Auch so mancher "Ruf zur Herde". Hm. Interessiert mich aber noch wenig, so lange wir keine Gelegenheit gefunden haben, zu erörtern, wo wir mit den Kriterien von Gewalt grade stehen und welche Modi ihrer Anwendung gewünscht sind.

Die Markierung steht für mich immer noch da: Argumente angreifen, um nicht die Menschen anzugreifen. Wo kann das hinführen? Antwortvielfalt. Und Dissens als mögliches Ergebnis. Hinter diese Optionen geht es für mich nicht zurück.

Cut!

Ich habe gestern betont, Handke sei ja kein Kriegsberichterstatter, es müsse ihm auch freigestellt sein, was er auf einer Reise erlebe und was er davon berichte. Daß man in einer Reiseschilderung mit der Auswahl von Details eine subjektive Darstellung der Realität liefert, ist klar. Daß man zu dem, was vorgefallen ist, ein konkretes Statement abgibt, indem man manches erzählt, anderes nicht, ist klar. Daß also SUBJEKTIVITÄT, zu der es ja keine Alternative gibt (das Phantasma von der "Objektivität" ist seit wenigstens hundert Jahren erledigt) nur EINE Stimme im Chor sein kann, dürfte auch Handke wissen, manche seiner Opponenten offenbar nicht. MUSSTE er in einem schlanken Bändchen explizit werden?

Man braucht mir keine Leichen zeigen, wie zum Beispiel ertrunkene Tsunami-Opfer auf dem "profil"-Cover der Ausgabe #1 vom 3. Jänner 05, damit ich begreife, was einem Menschen an Grauen widerfahren kann. Obwohl, deshalb habe ich das Cover erwähnt, ein großer Teil lesender so explizite Darstellugen offenbar bevorzugt. Ich kann aus so einem Srebrenica-Detail schon viel ablesen, was man mir nicht als visuelle Sensation hinzuwerfen braucht:

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Was mag nun aber mit der folgenden Szene gemeint sein?

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Genau. Handke meint damit sicher, die Leute aus Srebrenica seien auf Urlaub gefahren. So geht das eben mit dem Leugnen von Massakern im "Silberstädtchen"... Und drum liest man auch wenige Zeilen später:
"daß wir dann ... uns auf den Weg machen mußten, zum Treffen mit jenem Mann aus S., der, laut Bibliothekar, als vermutlicher Kriegsverbrecher auf der Liste des internationalen Gerichtshofes stand."

Handke löst diese Schilderung mit einem Moment auf, der beunruhigend an das erinnert, was ich aus Österreich seit Jahrzehnten kenne:
"Und zuletzt noch das Fragen, an den Patron des Lokals, vor dem Krieg angeblich ein großer Jäger: Warum? Warum auf der Liste? Und als Antwort nur: Es sei Krieg gewesen. Und seltsam: Es schien, als lenke der Mann damit nicht ab, sondern seine Verschwiegenheit komme vielmehr daher, daß er im Grunde kaum etwas zu sagen hatte, sei sogar eine Art der Aufschneiderei, oder vielleicht auch eine bloße Gastgeber-Höflichkeit: »Denkt, was ihr schon im voraus gedacht habt!« ..."

Wenn mir dazu jemand meiner Generation sagte, er verstünde nicht, wovon die Rede sei, was Handke da geschildert hat, müßte ich fragen: Hast Du keinen Vater gehabt? Ich weiß genau, wovon hier die Rede ist.

[Zu Peter Handke]

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