27. Juli 2005 Ein sehr
amüsanter Moment. Als ich den aktuellen "Der Spiegel" durchblätterte und auf ein ganzseitiges Inserat des
Magazins "Für Sie" stieß:
Ich fürchte, Jungs, wir wissen was gemeint ist. Wie laufen
die Dinge? So ganz allgemein? Themenwechsel! Großbritanniens Tony Blair sagt zum Thema
Terror, man müsse sich der Ideologie dieses Übels stellen. Also eine kulturelle
Intervention setzen. Das vernehme ich gerne. Denn hier in Österreich, wo uns bisher kaum
etwas derartiges bedroht, wird gerne mal flott das Einschränken von Bürgerrechten und
das Anschrauben von mehr Videokameras im öffentlichen Raum erwogen.
Ich hatte grade ein überaus kurioses kleines Match mit
einem Anonymus auf der Website des Gleisdorfer Bürgermeisters. Dort erscheint gelegentlich ein
"epb" ... "ein politischer beobachter". Der schreibt zum Beispiel:
"Datenschutz hin und her - wenn ich nichts zu
verbergen habe, lasse ich mich weiterhin in U-Bahn Stationen, Fußballstadien oder anderen
Orten filmen und aufnehmen."
Das verkündet ein Bürger in einer blühenden Demokratie,
der in der kleinen Öffentlichkeit einer kleinen oststeirischen Provinzstadt seit der
letzten Gemeinderatswahl ständig auftritt, dabei zwar "nichts zu verbergen
hat", aber doch seine Anonymität beharrlich wahrt. Warum? Hm.
Er fürchtet Ungelegenheiten innerhalb des Gemeinwesens,
wenn er seine Ansichten unter seiner wahren Identität preisgäbe. Also versteckt er sich
selbst. Aber er rät zur Aufrüstung des öffentlichen Raumes mit Videokameras, was ja
keinen stören könne, der nichts zu verstecken habe ...
Ich bin nun fast 50 Jahre Österreicher, hab aber noch
immer nicht ganz kapiert, wie meine Leute und warum sie so komisch drauf sind ... der
"epb" richtet mir aus:
"Sollten Sie glauben, mit kultureller Arbeit einen
wie immer gearteten Terroristen Einhalt gebieten zu können, lasse ich Sie weiter in
diesem Glauben und schreibe Ihnen ebenfalls extreme Blauäugigkeit zu."
Denn ich neige zur Ansicht, daß die pathologischen
Dschihadis eine Auswirkung, aber keine Ursache sind. Der mörderischen Auswirkung zu
begegnen hat eine wehrhafte Demokratie ihren Nachrichtendienst, ihre Polizei, ihre
Gerichtsbarkeit.
Aber damit bewirkt man nichts gegen die Ursachen. DAS ist
eben eine Frage kultureller und politischer Maßnahmen. Das könnte ja ungefähr Tony
Blair gemeint haben, wenn er feststellte, man müsse sich der Ideologie dieses Übels
stellen.
Machen wir also aus unserer Demokratie nicht gleich einen
voll verkabelten Hochsicherheitstrakt, wenn wir grade erst die Wirkungen kennen, über die
Ursachen aber noch reichlich Unklarheit haben.
Cut!
Hab ich grade erst entdeckt, das ist mir also bei meinem
Kaufmann untergekommen. Bosnische Zwetschken. Finde ich kurios. Läßt mich an Slavonski
Brod und Bosanski Brod
denken ... da bin ich ja grade erst vorbeigekommen ...
Eine Gegend, in der Kroatien, Bosnien-Herzegowina und
Serbien-Montenegro einander berühren. Die Orte auf diesem Wegweiser werden manchen aus
den Nachrichten über den jugoslawischen Sezessionskrieg noch in Erinnerung sein. Nahe
Vukovar liegt der Ort Borovo Selo, von dem es heißt, dort habe der Krieg zwischen Kroaten
und Serben seinen Beginn gehabt.
Vukovar ist von serbischen Artillerie- und Panzereinheiten
sowie der Luftwaffe in einem furchtbaren Dauerbeschuß von rund 87 Tagen zerstört worden.
In der Nähe der Stadt war es auf einer vormaligen Schweinefarm auch zu einem Massaker
gekommen. An rund 400 Insassen des Krankenhauses von Vukovar, denen man ursprünglich
freies Geleit zugestanden hatte.
Von dort ist es nicht gar so weit nach Sarajevo.
(Eigentlich begreift man erst vor Ort, wie nahe uns dieser Krieg räumlich war.) Die Stadt
mit der bisher längsten Belagerung in der Geschichte der Menschheit, nämlich 1.425 Tage.
Der bosnische Serbenführer "Rascha" Radovan
Karadzic soll für Journalisten posiert haben, indem er persönlich ein
Maschinengewehr auf Sarajevo abfeuerte. Und die Medienleute einlud, es selbst zu
probieren.
Dies ist ein "Souvenir" aus Sarajevo. Keine
gewöhnliche Karabinerhülse, sondern ein großes Stück, ich vermute, von einem schweren
Maschinengewehr. Es gibt nur wenig, was einen vor den Geschoßen aus solchen Hülsen
schützen kann. Heute hat sich das Kunsthandwerk dieses Kriegsschrotts aus wertvollen
Rohstoffen angenommen. Ein Memento von großer Bitterkeit.
Vukovar. Sarajevo. Srebrenica nicht zu vergessen. Das
leitet zur anderen Markierung über. Die das Ende des 20. Jahrhunderts mit Serbien
verbindet. So wie am Anfang die "Schüsse von Sarajevo" standen. (Siehe Eintrag vom 25. Juli.) Das ist also eine
Merkwürdigkeit dieses Jahrhunderts und die primäre Bühne unseres "Balkan-Reflexes" ...
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