24. Juli 2005 Die
Geschichte hat einigen kuriose Seiten. Unser Symposion in Basel
habe ich ja eigentlich mit dem Schweizer Vinzenz Küng ausgeheckt. Dem bin ich aber noch
nie real begegnet. Reine Teleworking-Geschichte. Übrigens. Eine große! Geschichte. Also
wurde es Zeit, einige Dinge vor Ort zu betrachten und zu besprechen. Und weil ich grade
sehr mit dem Süden befaßt war, fuhr Jürgen Kapeller in den Westen. (Mit ihm hatte ich
vor Jahren kultur.at auf die Beine
gestellt.)
Mit wem seh ich ihn (rechts) nun auf dem Foto? Mit dem
Künstlerduo Christo Dagorov und
Carlos Bossart (von links). Denen bin ich auch noch nie real begegnet. Aber. Wir sind nun,
mit Vince und einigen anderen, das Team, das diese Station auf die Schienen stellt. So
schauts aus. Sehr nach meinem Geschmack. Eben "art under net conditions".
Während Kuratorin Mirjana Peitler (links) mit den Leuten
von "remont" ein Set für
Zürich klar gemacht hat, das dort in Kooperation mit Mario Purkarthofer über die Bühne
gehen wird, der übrigens grade einiges bei "kanal 7" in Gang gesetzt hat und demnächst in meine Gegend
schneien wird: "hallo martin! kommen anfang august nach st.ruprecht. hoffe du
organisierst einen spannenden 1-tägigen erholungsaufenthalt. lg, mario & anja"
... huh! Ja, so dicht geht das manchmal her mit all den kommenden Schritten. Offen gesagt,
ich fürchte gelegentlich, den Überblick zu verlieren. Da sich also Süden, Osten und
Westen so schön in Vorhaben verstricken ließen, saß mit uns Mihael Milunovic im
"Plato" (Beograd) und wir kamen auf den Punkt, daß er uns bei seinem "March of Flags"
in Basel einen Kommandanten geben wird.
Das ist aber auch bloß EIN Aspekt des Prozesses und des
"Trails", denn ich werde mit ihm nicht nur in Gleisdorf Station machen, wo ja
mein Netzwerk der grundlegenden Eisenbahnstrecken (dieses "Trails") sein Zentrum hat, wir
beide werden uns im nächsten Jahr ein Stück einstiger k. & k. Eisenbahnstrecke
vornehmen, das von Kroatien nach Montenegro führt.
Dort, irgendwo hinter Herceg Novi, soll dann auch ein neuer
Bezugspunkt für eine "Geschichte der Liebe" sein, die in Neuseeland ihren Auftakt hatte und
für die ich gerade eine Station in Rußland vorbereite. Eine weiterführende Narration,
die übrigens auch durch Gleisdorf führen soll. (Montenegro, Crna Gora, ist heute mit
Serbien ein Teil Jugoslawiens, ein allerdings etwas ungewisser Anteil.)
So mag man erahnen, daß es neben den primär
künstlerischen Intentionen dieser Fahrten für mich auch einen historisch-kulturellen
Kontext gibt, der mich sehr beschäftigt, wenn man nach Südosteuropa fragt. Und danach,
was wir damit zu schaffen haben. Denn dieses Europa wird sich nicht beruhigen,
stabilisieren können, wenn es darauf verzichtet, sein Verhältnis zum "Balkan"
zu ordnen.
Was keinesfalls bedeuten kann, unsere südöstlichen
Nachbarn müßten auf unsere Züge springen. Genau das war ja nun seit dem Ende des
Osmanenreiches eine prägende Haltung, in der wir uns nicht bloß unsere teils
merkwürdigen Balkan-Reflexe angewöhnt
haben. Hier geht es unter anderem um mentale Grenzlagen. Grenzen.
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Das ist übrigens
ein Thema, mit dem sich der gebürtige Serbe Milunovic (er lebt
heute in Paris) sehr konsequent und ausdauernd befaßt. Zum Beispiel im Zusammenhang des
Recyclings von Grenzen und Grenzsteinen. Ja, wir
hängen doch sehr an Grenzen. Wenn wir in nächster Nähe schon welche abreißen, kann man
sie doch in andere Regionen verkaufen und dort wieder einziehen ... Aber davon später.
Gestern habe ich
angedeutet, es sei doch recht bemerkenswert, daß Europa von so vielen Völkern belebt
wird, aber eines, das serbische, markiert den Beginn und das Ende des 20. Jahrhunderts mit
je einer Katastrophe. |
Ich habe hierzu keine Verschwörungstheorie
anzubieten. Ich habe vor allem ein Faible für Auffälligkeiten, eine vermutlich
berufsbedingte Leidenschaft. Und DAS ist auf jeden Fall eine erlesene Kuriosität
europäischer Geschichte. Daran kann einer wie ich nicht so ohne weiteres vorbei ...
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